Heimat-Jahrbuch 2003

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Einbringen in Einbrungen

Neues Leben im neuen Wittlaer

Nun, dann will ich einmal über unser neues Leben im neuen Wittlaer berichten; an dieser Stelle auch schon mein erster Dank an den eifrigen Heimat- und Kulturkreis Wittlaer, der mir diese Möglichkeit angeboten hat: Im Herbst 1999 zogen wir auf einen fast unbebauten Acker nach Wittlaer, der nördlichen Nachbarschaft nach Mörsenbroicher Kindheit: Wittlaer verhieß noch ruhigeres Wohnen, Natur, Rhein, idyllische Stadtnähe, hervorragende Schulen - so war uns das Bauen in Düsseldorf wichtiger als günstigerer Erwerb linksrheinisch. Schnell wurden Kontakte zu Alt-Wittlaerern aufgebaut: beim ersten Martinszug, der Schul- und Sportvereinanmeldung, Kirche, Schützenfest u.v.m.

Nach und nach wurde die Bebauung jedoch immer enger, die Straßen zu Rennstrecken gemacht, die Flugroute über uns hinweg umgeleitet, Kindergarten- und Schulplätze reichten kaum aus, und der soziale Wohnungsbau schaffte durch achtlos entsorgten Müll Probleme. Fehlplanungen der Bau-Verantwortlichen kamen immer deutlicher ans Tageslicht. Zusätzlich sorgten uns negative Medienberichte. Ergo: Wir mußten uns einbringen - unsere Bürgerinitiative wurde gegründet. So kamen weitere Kontakte zustande: Der Heimat- und Kulturkreis Wittlaer stand uns stets hilfreich zur Seite. Mit viel Engagement wurden bisher alle Störfaktoren beseitigt: Die Straßen sind verkehrsberuhigt und tempokontrolliert, ursprünglich immense Bebauungspläne wurden zu Gunsten von Einfamilienhäusern nicht realisiert, unsere Kinder sind und werden wunderbar untergebracht durch Gebäude- und Personalausbau, die unglaublich paradoxe Flugroute wurde nach massivem Protest teilweise wieder rückverlegt, deutlich-nette Gespräche verhindern fortan Müllberge außerhalb der Container, wir wirkten mit bei der Gestaltung der neuen U-Bahn-Haltestelle sowie der Grünen Mitte und vielen Spielplätzen (die Anlage der Grünen Mitte wurde übrigens durch unser Bemühen vorzeitig vollendet; diese sollte erst zum Frühjahr 2003 begonnen werden...).

Gern möchte ich auf ein angebliches „Problem” hinweisen, welches im „Kaiserswerther Kurier“ einmal vom ewig nörgelnden „Kai dem Nordlicht” sowie im Heimat-Jahrbuch 2001 dokumentiert wurde: die Lärmschutzwand entlang der Einbrunger Straße und unserer Gärten. Der einerseits leider anonyme Kritiker wie auch der Verfasser des Jahrbuch-Artikels sind der Meinung, diese bezwecke demonstrativ eine physikalische Abgrenzung zu ursprünglichen Anwohnern, zudem sei diese einseitige Errichtung eine Benachteiligung für die gegenüber wohnenden Menschen. Tja, physikalisch betrachtet erkennen wir jedoch keine Möglichkeit, die Bewohner „jenseits” des Neubaugebietes gerechtermaßen mit solchen Wänden vom Lärm abzuschirmen, da eine Wand ja doch jegliches Betreten und Verlassen des Hauses auf die Straße blockieren würde - solch´ Schildbürger.

Auch sei erwähnt, daß eine Errichtung dieser Lärmschutzwand letztlich trotz allgemeiner Neuanwohner-Befürwortung der Wand selbst für uns einen Haken hatte: Niemand wurde darüber informiert, daß die Bäume entlang der Einbrunger Straße der Wand weichen mußten! So zog ich selber entsetzt-wütend-fassungslos in Gummistiefeln und Nachtgewand frühmorgens durch den Schlamm, um dem plötzlich einsetzenden Getöse der Sägen frontal Einhalt zu gebieten, doch leider vergeblich - meine vielen Telefonate bestätigten immer wieder die rechtmäßig von der Stadt stattgegebene Fällung des Bestandes! Ein Trostpflaster ist die gleich nachträglich erzwungene „Kompensationsbegrünung” vor und hinter der Wand, die wir selber hochpflegen, und dann paßt sie doch auch ins Wittlaerer Erscheinungsbild, oder?

Ein Abgrenzen ist keinesfalls beabsichtigt: Wir freuen uns über neue Gespräche „über den Zaun”, Kennenlernen bei einem gemütlichen Glas in nächster Gastronomie, Zusammentreffen mit den ursprünglichen Mitstreitern, gemeinsames Gestalten unserer Umgebung. Gern planen wir zusammen auch die Neugestaltung des Kaiser's-Vorplatzes, der architektonisch noch einiges hergeben muß. Ein mageres Erscheinungsbild der Neubürger bei Wittlaerer Veranstaltungen sei bitte nicht allein als mangelndes Interesse gedeutet: Als Häuslebauer gibt es zur Zeit noch viel zu schaffen, doch nach erledigter Arbeit sind zukünftig sicher einige dann Einheimische anzutreffen (dies auch als Ansporn für noch müde Neu- wie auch für einige noch nicht aktive Alt-Wittlaerer!).

Abschließend möchte ich feststellen, daß uns „Novizen” - und das war jeder einmal - an Integration weiterhin gelegen ist: Wir freuen uns über unsere eigene hauptsächlich nette Nachbarschaft, die Nähe zu Alt-Wittlaerern, den positiven Einbrunger Kontakt auch zur Leitung der Graf-Recke-Stiftung, gemeinsames Handeln, Planen, Klönen bei Alt und Killepitsch, Genießen der Grünen Mitte, komfortables Einkaufen im neuen Super- und endlich nördlichen Drogeriemarkt, Sport, Musik und örtliche (Mal-)Kunst.

Und bitte: wenn auch manche Verkehrslenkungsschilder Wittlaer und Einbrungen seltsam separat ausweisen - wir sind alle Wittlaer! Das Leben kompliziert sich von selbst derart, da am Ende alles einfach erscheint... Voltaire meint: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Darum: Einbringen in Einbrungen, denn Einbrungen ist Wittlaer.

Regina Ulrich