Heimat-Jahrbuch 2003

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Die wohl älteste Steuerliste aus dem Jahre 1604

Ein Rheinhochwasser verwüstete den Ort Rheinheim

Die Steuerliste von 1604 ist wohl die älteste bekannte Steuerliste für die Bewohner von Wittlaer, Bockum, Einbrungen und Kalkum. Sie weist - wie auch die Steuerliste von 1631 (s. Heimat-Jahrbuch Wittlaer 2001, S. 142-153) - zahlreiche interessante Details auf. Etwa ein Fünftel der Genannten trägt nur einen Namen: den Vornamen oder den Berufsnamen. Bei den übrigen finden wir auch Familiennamen oder Beinamen. Der Ãœbergang von der Ein- zur Zweinamigkeit ist zu dieser Zeit noch nicht abgeschlossen. In der Liste werden Namen aufgeführt, die auch heute noch in Wittlaer und Kalkum anzutreffen sind: Holtzschneider, Oehmen, Steuten, Köhnen, Radmacher und Abels. Ausnahmsweise ist auch die Liste für die ehemalige Honschaft Rheinheim nördlich von Bockum aufgenommen. Nur etwa ein Drittel der 19 aufgeführten Hofstellen kann eine Abgabe leisten. Die Höfe und Ländereien der übrigen Bewohner sind „wuest“, verwüstet, zerstört. Als Ursache kommen wahrscheinlich nur verheerende Rheinhochwasser in Frage, die für die Jahre 1603 und 1604 dokumentiert sind. Rheinheim hat sich von dieser Katastrophe nicht mehr erholt. 1620 werden bei der Abgabe der Grevenhühner nur noch 8 Höfe in Rheinheim aufgeführt, 1729 sind noch 7 Höfe zahlungspflichtig, 4 Hofstellen erhalten den Vermerk „abgebrochen“ bzw. „nicht vorfindbar“. 1832 sind nur noch 5 Wohnhäuser und 6 landwirtschaftliche Gebäude vorhanden. Seitdem hat sich nicht mehr viel verändert. Heute besteht Rheinheim aus den Häusern „Dionysiusweg“ 71, 75 und 77 sowie dem Rheinheimerhof an der Straße „Am Hasselberg“.

Für jede Gemeinde (Honschaft) ist die Liste in „Freie“ und „Unfreie“ unterteilt. Zu den Freien zählte die bevorrechtigte Klasse: Adelige, Geistliche, der Landesfürst oder sonstige Freie. Ihr Besitz war von der allgemeinen Steuer ausgenommen. Zu den adeligen Sitzen gehörte der Kaldenberger Hof in Einbrungen und das Schloß Kalkum. Für die adeligen Sitze bestand die Pflicht der Lehnsfolge, d.h. sie mußten einen Gewappneten für den Kriegsdienst stellen. Geistliche Besitzungen waren der Wittlaerer und Verloher Hof (Stift Vilich bei Bonn), in Bockum mehrere Höfe des Stiftes St. Gereon in Köln und in Einbrungen die obere Mühle (Stift Kaiserswerth). In Bockum besaß der Landesherr einen Hof. Ließen Adelige oder Geistliche ihren Besitz durch einen Pächter oder Halfen bewirtschaften, so zahlte dieser einen geringeren Steuersatz als die anderen Untertanen. Die „Unfreien“ wurden zur üblichen Steuer herangezogen. „Schüppendienste“ waren die mit Schüppe, Schaufel und Hacke zu leistenden Handdienste. Jeder Eintrag der Liste beginnt mit dem lateinischen Wort „Item“ = ebenfalls, und auch. Hinter den Namen der Liste folgt jeweils ein Betrag in Reichstalern bzw. in der Vierteleinheit Ort. Die zu entrichtenden Steuern fallen für die einzelnen Honschaften sehr unterschiedlich aus. Die „reichste“ Honschaft ist Kalkum, die 54 Reichstaler 1 Ort zahlen muß, gefolgt in deutlichem Abstand von Bockum mit 241/2 Reichstalern, Einbrungen 151/2 und Wittlaer 10 Reichstaler. Rheinheim kann aufgrund der enormen Schäden nur 3 Reichstaler 1 Ort zahlen.

Von den zahlreich genannten Haus- und Hofnamen sind heute nur noch wenige bekannt und gebräuchlich. Oft sind die Gebäude schon längst abgerissen und - vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg - durch moderne Wohnbebauung ersetzt worden. Am radikalsten hat sich dieser Umbruch in Bockum vollzogen. In Wittlaer ist die alte Ortsstruktur um die Kirche im Vergleich zur Steuerliste noch gut sichtbar erhalten geblieben, am deutlichsten wohl in Kalkum. Die Liste ist durch Anmerkungen ergänzt, die in zahlreichen Fällen einen Vergleich zum heutigen Zustand ermöglichen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Huldigungsliste aus dem Jahre 1730/31, die im Heimat-Jahrbuch Wittlaer 1999, S. 136-146 veröffentlicht wurde.

Honschaft Witler