Heimat-Jahrbuch 2003

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Der Hüttenhof in Zeppenheim

Vom frühen Stiftshof zum eleganten Wohnsitz

Am 5. Dezember 1419, am Tag vor dem Hochfest des hl. Nikolaus, verkaufen die Eheleute Schirp zusammen mit Frau Greta Stail an die Stiftsherren zu Kaiserswerth und an die Geistlichen der Vikarie Sankt Nikolaus aus ihrem Zeppenheimer Hof, dem ehemaligen Wallengut, eine Erbrente von 6 Sester Roggen, abzuliefern am Namensfest des hl. Remigius auf den Stiftshof zu Zeppenheim. Diese schriftlich dokumentierte Nennung des Zeppenheimer Stiftshofes von 1419 dürfte die früheste bisher bekannte Erwähnung des Hofgutes sein. Einhundert Jahre später trägt der Stiftshof den Namen „Capitelshoff“, später heißt er dann „Hoff in der Hütten“ und vom 17. Jh. an „Hüttenhof“. Möglicherweise enthält aber auch eine Urkunde aus dem 11. Jh. schon einen ersten Hinweis auf den Kaiserswerther Stiftshof in Zeppenheim. Das Schriftstück beinhaltet außer den fälligen Renten eine Auflistung aller Ortschaften – so u.a. Zeppenheim -, die dem Kapitel zur Lieferung von Brot verpflichtet sind. Diese Brotlieferungen stammten aus den Backhäusern der Stiftshöfe und gehörten, wie der zu liefernde Zehnt, zum festen Naturaleinkommen der Kanoniker. Viehtrift und Holznutzung hatte Kaiser Heinrich VI. den Stiftsherren im Jahr 1193 für weitere Jahre insofern gesichert, als er ihnen erneut die Waldgrafschaft über verschiedene Gemarken in Zeppenheim, Ãœberangern, Lintorf, Stockum usw. urkundlich bestätigte. Um 1520 verfügt das Kaiserswerther Stift über umfangreiche Besitzungen im Herzogtum Berg. Davon liegen im Amt Angermund, in der Honschaft Raede (Rath) sechs Höfe, ferner die Einbrunger Wassermühle und: „eynen haff genant des capittels hoff Zeppenhem myt synen zynden“.

Hüttenhofpächter im 16. Jahrhundert
Der erste namentlich bekannte Pächter ist Johann Angermund. Er pachtet 1528 und 1531 den „Hoff in der Hütten“ auf Lebenszeit und hat als jährlichen Zehnt 8 Malter Roggen, 2 Malter Gerste und 10 Malter Hafer abzugeben. Vermutlich hat auch schon im 16. Jh. das Capitel die genaue Maßangabe für den Malter vorgegeben. Einhundert Jahre später, als die Naturallieferungen teilweise um das dreifache angestiegen und durch Wein-, Weizen- und Erbsenlieferungen ergänzt worden waren, wird ausdrücklich auf das genaue „Capituls-Maaß“ hingewiesen. Im Jahr 1549 macht der Pächter des Hofes, ein „Halbwinner“ (Halfmann/Halbmann), der seine Pacht mit der Hälfte seiner Erträge bezahlt, eine genaue Aufstellung über die zum Besitz des Hüttenhofes gehörenden Ländereien, Weiden, Benden (Wiesen) und Waldungen. Die Größe des Hausplatzes und des Baumgartens beträgt 3 ½ Morgen. An Ackerland gehören zum Hof 98 Morgen, 16 ½ Morgen Weiden und Heuwiesen und 12 ¼ Morgen Holzgewalten. Ein Morgen entsprach einer Ackerfläche, die man an einem Vormittag (Morgen) mit seinem Pferd pflügen konnte. Der Hüttenhofhalbmann von 1577 heißt Cemery bzw. Clemens. Die der Verpachtung anklebenden jährlichen Abgaben sind inzwischen beträchtlich gestiegen und belaufen sich nun auf: 19 ½ Malter Roggen, 18 Malter Hafer, 8 Malter Gerste und 5 Malter Weizen. Außerdem hat er den Sackzehnten an den Pastor zu Kalkum in Form von 3 Malter Hafer und 11 Sümmer Roggen zu liefern, an den Küster einen Sümmer Roggen, sowie einen Läuthgast (Abgabe an die Kirche) von 12 par Roggen, was einem Sümer Roggen entspricht. Außerdem ist er zu Kellnereifuhren verpflichtet.

Hüttenhofpächter im 17. Jahrhundert
In einer Steuerliste von 1604 gehört der Hüttenhof zu den höchstbesteuerten Höfen. Der derzeitige Halbmann Lütgen (Ludgen) ist mit einer ebenso beträchtlichen Steuersumme belastet, wie der spätere Hüttenhofpächter aus der Steuerliste der Düsseldorfer Kreuzbrüder von 1631. Pächter Lütgen hat u.a. drei zum Hüttenhof gehörende Kämpen (Felder) in Pacht, die jahrelang nicht bearbeitet worden waren und auf denen nun wildes Gehölz gewachsen ist. Dazu teilt ihm, dem „ehrenwerten Capituli-Halfmann“, die Stifts-Verwaltung eindringlich mit, auf diese Ländereien ein äußerst wachsames Auge zu haben, denn die Angermunder Burgknechte hätten die Angewohnheit, jeglichen Rott, zu dem dieser Wildwuchs gehöre, rücksichtslos abzuschneiden und für sich zu beanspruchen. Das Holz wäre für ihn damit ein für alle Mal verloren. Das Lastenverzeichnis des Hofgerichts Rath von 1620 nennt Johann Holtschneider und Effgen in der Hutten auf dem Kapitelshof ansässig. Zwar ist der Hof „schatzfrei“, d.h. von jeglicher Grundvermögensabgabe befreit, darüber hinaus aber den landesherrlichen Pflichten unterworfen. Dazu gehört, daß die Pächter „mit dem Leib dienen“, also Schüppendienste leisten, d.h. Wege instand setzen, Aufräumarbeiten in Ãœberschwemmungszeiten leisten oder auch Arbeiten verrichten, zu denen die Kellnerei in Angermund sie verpflichtet.

Anno 1623, der Halbmann Lütgen ist verstorben, pachtet Jacob Jelter im Namen seines Schwiegersohns den Hüttenhof. Der Vertrag wird mit „Handtastung“ (per Handschlag) abgeschlossen und erhält so seine Rechtsgültigkeit. Jacob Jelter bürgt für die prompte Zahlung der Pachtgebühren und verspricht, die gerichtlich vorgeschriebene Kaution zu leisten. Die jährlich auf Martini, d.h. am 11. November, bei den Korn-Meistern abzuliefernden Getreidemengen werden festgelegt, jedoch in reduzierten Maßen. Sie sollen erst in neun Jahren wieder auf die alte Quantität erhöht werden. Möglicherweise hatte man sich noch nicht von den Schäden erholt, die die Truppen des Dreißigjährigen Krieges hinterlassen hatten, die plündernd und zerstörend durch die hiesigen Dörfer gezogen waren. 1626 wird der in Kaiserswerth liegende, zum Hüttenhof gehörende Landbesitz von Dechant und Kapitel separat verpachtet. Dham im Ritter und seine Frau Trin Gerkers nehmen die Ländereien auf zwölf Jahre in Pacht, die nach sechs Jahren aufkündigt werden können.

Am 10. Juni 1649 lassen die Stiftsherren durch ihren Scholaster Heinrich von Vianden eine Liste über alle Lasten ihrer Pächter erstellen. So ist der Hüttenhof verpflichtet, für die herzogliche Kellnerei in Angermund anfallende Fuhrdienste zu übernehmen, dem Kalkumer Pastor jährlich an Sackzehnten 3 Malter Roggen und 11 Sümmer Hafer zu liefern, dem Küster einen Sümmer Roggen, ebenso einen Sümmer Roggen an die Kirche für Läuthgast sowie sechs Schweine an das Kaiserswerther Stiftskapitel. Im selben Jahr beklagt sich der Hüttenhofpächter, der auch für die Entgegennahme des Kapitelszehnten der umliegenden Höfe zuständig ist darüber, daß die Lieferungen nicht immer ganz reibungslos von statten gehen. Die vom Forsthof würden ständig versuchen, beim Abmessen des Getreides zu betrügen und Hendrig Adrians gäbe einfach „waß Er wilt“.

Am 17. Mai 1680 erstellt das Stift eine Auflistung aller in den Hüttenhof zehntpflichtigen Äcker, zu denen der Halbmann Heinrich Beelen noch kurz vor seinem Tod genaue Angaben gemacht hatte. Nach dieser Liste beläuft sich das Ackerland auf eine Gesamtfläche von 229 Morgen. Nach den Vorschriften der Dreifelderwirtschaft wird es zu je einem Drittel mit Winter- und Sommerfrüchten besät, während das letzte Drittel der Fläche unbeackert bleibt, also brach liegt. Der auf Heinrich Beelen folgende Pächter heißt Philippi vom Rhein. Er ist verheiratet mit Elisabeth Hoffmann. Die beiden Eheleute lassen am vorletzten Tag des Jahres 1685 in der Kalkumer St. Lambertuskirche ihren Sohn Johann Friedrich taufen.

1689 beklagt sich Philippi in einem Protokoll, das ein Scholaster des Kaiserswerther Stifts erstellt, daß seit Jahren der Schwarzbach in Hochwasserzeiten immer wieder große Schäden auf dem Hüttenhof anrichte. Mit der Anlage eines Schutzdammes könnte hier Abhilfe geschaffen werden. Die inzwischen verstorbene Witwe vom Niederhof im Unterdorf (vermutlich die Gattin des Johann Pluner) hätte er schon in gut nachbarlichem Einvernehmen ersucht, sich mit einem Damm, der auch über ihre Länderei fortgeführt werden müsse, einverstanden zu erklären. Nun habe er sich an deren Söhne, Tochter und Schwiegersohn gewandt und ihnen zugesichert, daß durch die Errichtung eines Dammes weder für sie daraus ein Nachteil noch für ihn eine zukünftige Berechtigung entstehe. Ob die Niederhofpächter letztlich dem Dammbau zugestimmt haben, ist nicht bekannt. Heute läuft der Schwarzbach westlich der Zeppenheimer Straße zwar immer noch durch ein an den Rändern hochaufgeschüttetes Bachbett, diese Erhöhung aber entstand erst in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als ein plötzliches Hochwasser wieder einmal den Bach bedrohlich anschwellen ließ und die Düsseldorfer Feuerwehr die Ufer mit Sandsäcken abdichtete. Diese Sandsäcke wurden nie wieder entfernt, und so sind die hohen Dämme geblieben, über die im Laufe der Jahre Gras und wildes Buschwerk gewachsen ist.

Familie von Holtum
Der nächste Pächter auf dem Hüttenhof ist Peter von Holtum, dessen Familie über drei Generationen, bis 1822, das Gut bewirtschaftet. Peter von Holtum wird erstmals in der Huldigungsliste, die Kurfürst Karl Philipp 1730/31 für seinen designierten Nachfolger Franz Ludwig erstellen läßt, namentlich genannt. Im Steuerbuch Kreuzberg von 1734/35 ist dagegen lediglich das Stift als Eigentümer des Hofes vermerkt. Im Juli 1731 heiratet Peter von Holtum Gertrud Hosgen. Vier Kinder werden ihnen in den Jahren zwischen 1732 und 1735 geboren, 2 Töchter und 2 Söhne, von denen der 1733 geborene Peter Ludger später die Nachfolge seines Vaters antritt. Möglicherweise ist Gertrud Hosgen bei der Geburt der Tochter Maria Elisabeth Ende Dezember 1735 verstorben, denn bereits im Mai 1736 heiratet Peter von Holtum in zweiter Ehe die aus Ehresheim stammende Catharina Finger. Die beiden haben ebenfalls 2 Töchter und 2 Söhne.

1744 erstellt das Stift eine neue Liste über die den Hüttenhof betreffenden Ländereien, Gärten und Zehnten. Zu den Abgaben gehört, wie bei den vorherigen Pächtern, neben dem Sackzehnten an den Pfarrer und ein Sümmer Roggen an den Küster, nun auch ein Brot für die Armen in Kalkum. Außer verschiedenen weiteren Höfen in Kalkum und Zeppenheim war auch der auf dem Schloß wohnende Grundherr mit dieser Brotabgabe belegt. Die meist vierzehn Pfund schweren Brote wurden jedes Jahr am sogenannten Hagelfeiertag von den Kirchmeistern entgegen genommen und an die Armen des Dorfes verteilt. Den Hagelfeiertag, der im Erzbistum Köln im allgemeinen in die Zeit der Bittage Anfang Mai fiel, feierte Angermund und Ratingen nachweislich am 26. Juni, dem Gedächtnistag der Heiligen Johannes und Paulus, die als Schutzheilige gegen Hagel und Unwetter galten. Dieses Datum dürfte auch für Kalkum zugetroffen haben. Lange Zeit gab es in den Feldern noch die weiß gestrichenen Hagelkreuze, zu denen am Hagelfeiertag Prozessionen veranstaltet wurden.

Im Juni 1762 heiratet Peter Ludger, aus der nächsten Generation der von Holtums, die aus Mündelheim stammende Rebecca Bieger. Zusammen mit den Eheleuten wohnt auf dem Hüttenhof auch Görgen Bieger, ein Bruder Rebeccas. 1765 werden den Eheleuten die Zwillinge Gerhard und Elisabeth geboren, 1771 der Sohn Peter, der aber noch im selben Jahr verstirbt. Im Frühjahr 1766 genehmigt das Stift dem Hüttenhofpächter den Bau einer neuen Scheune, die 114 Fuß lang, 27 Fuß breit und 14 Fuß hoch werden soll. Vorgesehen sind zwei Fenster, vier Türen Schüttbretter und ein Eingangstor an der Kopfseite der Scheune. Den Auftrag bekommt der Zimmermeister Henrich Holtzschneider, der seine Werkstatt vermutlich in Kaiserswerth hat. Das Kapitel gestattet dem Zimmermeister die Entnahme des benötigten Bauholzes aus den eigenen Waldungen. Als Lohn für seine Arbeit und für Trank soll Holzschneider 240 Reichstaler oder 80 Alt Kölnisch erhalten.

Als sich um das Jahr 1769 zwischen den Meistbeerbten (Einwohner, die den höchsten Steuersatz zahlten) von Kalkum und Zeppenheim und dem Kalkumer Küster Peter Schmitz heftige Auseinandersetzungen wegen der zu leistenden Hand- und Spanndienste anbahnen, gehört Peter Ludger von Holtum zu den Mitunterzeichnern der Beschwerdebriefe. Sein Schwager Görgen Bieger wird zusammen mit Henrich Osterwindt als ihre Interessenvertreter bestellt. Der Streit mit dem Küster, der sich weigert, für den Kurfürsten zwecks Reparatur der Landstraßen anzuspannen zu lassen, obwohl er zwei Pferde besitzt, zieht sich auch noch nach dessen Tod 1771 über Jahre hin. Im Jahr zuvor war, vier Tage nach der Geburt eines Sohnes, seine Gattin Gertrud plötzlich verstorben und hatte ihm fünf unmündige Kinder hinterlassen. Trotz der traurigen Verhältnisse drängen die Meistbeerbten auch nach dem Tod der Eltern auf Erfüllung der anstehenden und auch der rückständigen Pflichten, da ein mit Hand- und Spanndiensten belastetes Eigentum vorhanden ist. Der Streit geht hin und her, letztlich versucht der Vormund der Kinder, Reiner Sieben, der Sache insofern ein Ende zu bereiten, indem er die Pferde einfach abschafft. Görgen Bieger, in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter, opponiert zwar heftig dagegen, muß sich aber von Sieben sagen lassen, daß er doch besser seinen Mund hielte, denn ausgerechnet er habe es doch glänzend verstanden, sich während der letzten Kriegszeit auf raffinierteste Art und Weise vor den Spanndiensten zu drücken. Er, Sieben, wisse genau, daß Bieger seinen Pflichten nur deshalb entgangen sei, weil er es immer wieder geschafft habe, seine Pferde geschickt in Hecken und Sträuchern zu verstecken.

1788 ist Peter Ludger von Holtum tot und seine Frau Rebecca bewirtschaftet in der Nachfolge ihres Gatten als Pächterin bzw. Halbwinnerin, zusammen mit ihrem Bruder Görgen Bieger, den Hof. 1787 bzw. zu Beginn des Jahres 1788 könnte auf dem Hüttenhof eine schwere Feuersbrunst gewütet haben, denn als am 8. Mai 1788 das Kapitel zu einer Sitzung zusammentritt, steht auf der Tagesordnung die Neuerbauung des gesamten Hüttenhofes mit Stallung und Backhaus. Da die Pächterin nicht in der Lage ist, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen, bewilligt ihr das Stift einen Zuschuß von 500 Reichstaler. Außerdem Holz von 23 Eichen, sowie 2 Eichen aus dem Kapitelsbusch zu Lank und weitere 17 Bäume, die nach Anweisung des Holzgrafen zu fällen sind. Möglicherweise bezieht sich aber auch ein weiteres, leider undatiertes Dokument auf den Neubau des Hüttenhofes von 1788. Dann allerdings dürfte der Grund für die Baumaßnahmen nicht in einer Brandkatastrophe zu suchen sein, sondern in vorhergegangenen Kriegswirren, da umfangreiche Wiederaufbauarbeiten auch an anderen Stiftshöfen verzeichnet sind. Auf dem Hüttenhof, im Haushalt der Geschwister Bieger, lebt im Jahr 1797 noch Peter von Holtum, der Schwiegervater Rebeccas. Als am 6. März der Kalkumer Schullehrer Laurentius Tollet verstirbt und acht Tage später die Wahl des neuen Schulmeisters in der Kirche stattfindet, macht sich der alte Peter von Holtum noch einmal auf, um im Namen des Kapitels seine Zustimmung zur Wahl des Jakob Schmitz zu geben, der seit drei Jahren auch das Amt des Küsters inne hat. Auf die Pächterin Rebecca von Holtum folgt ihr 1765 geborener Sohn Gerhard. 1799 hat er die aus Mettmann stammende Maria Johanna Dohms (Dom) geheiratet, die 1804 auf dem Hüttenhof an einem Lungenleiden verstirbt. Wenige Monate später bekommen ihre beiden kleinen Kinder eine neue Mutter. Gerhard heiratet die 26jährige Gertrud Schorn aus Altenbrach. 1807 wird ihnen eine Tochter geboren, 1808 der Sohn Johann Peter.

Säkularisation
1803 gehört das Kaiserswerther Stift zu den Klöstern, die der Säkularisierung zum Opfer fallen. Die vorhandenen Güter werden eingezogen und gehen in den Besitz des Staates über. Gerhard von Holtum bleibt als Domänenpächter auf dem Hof ansässig. 1805 findet zwischen der Domänenverwaltung und der Gräfin von Hatzfeldt eine Flurbereinigung statt, bei der die Grenzen der zum Hüttenhof und Kleianshof gehörenden Ländereien begradigt werden. Nach 1816 geht der Hüttenhof aus Domänenbesitz in Privateigentum über. Die beiden jungen, offenbar nicht unvermögenden Kaufleute Aaron Heymann und Leonhard Engelbert Nickel aus Düsseldorf kaufen das Gut als Kapitalanlage. Gerhard von Holtum bleibt weiterhin Pächter. Im April 1822 pachtet Gerhard von Holtum von Dr. med. Joseph Naegele „die Herrenbrück“ in der Gemeinde Bellscheidt, Bürgermeisterei Eckamp. Hier verstirbt Gerhard von Holtum vier Jahre später im Januar 1826. Seine Frau Gertrud war bereits im Mai 1823, noch in Zeppenheim ansässig, verstorben.

Am 23. Juli 1822 trennen sich Aaron Heymann und Leonhard Engelbert Nickel von ihren Kalkumer Immobilien. Sie verkaufen umfangreiche, bisher zum Hüttenhof gehörende Ländereien an Ackersleute aus Zeppenheim, Kalkum, Rath und Kaiserswerth. Das Hüttenhofgelände mit seinen Scheunen und Stallungen, mit Hofraum, Garten, Baumhof, Äcker, Wiesen und Gehölz, eine Gesamtfläche von 65 Morgen und 125¼ Ruthen ausmachend, verkaufen sie an den Kalkumer Gastwirt Ludwig Casimir Paas. Den Kaufpreis von 6.567 Reichstaler bergisch, 30 Stüber oder 5.150 Berliner Thaler, 27 Silbergroschen, 7 Pfennige hat Paas in sechs gleich hohen jährlichen Raten bis zum Jahr 1827 zu zahlen. Im Herbst 1822, und nicht 1780, wie Johann von Trostorff uns in seiner Geschichte des Niederrheins irrtümlich hinterlassen hat, zieht Ludwig Casimir Paas als neuer Eigentümer auf sein Hofgut.

Die Familie Paas kommt auf den Hüttenhof Ludwig Casimir Paas hatte im Mai 1811 die Wirtstochter Catharina Miesenholl aus der Kaiserswerther Rheinfähre („Am Rheinfahr“) geheiratet und war mit ihr in das „Langerzgut“ gegenüber der Kalkumer Kirche gezogen, das sein 1809 verstorbener Vater Wilhelm, der als Hatzfeldtscher Förster auf dem Forsthof ansässig gewesen war, erworben hatte. Neben seiner Gaststätte betreibt Ludwig Casimir auch umfangreichen Ackerbau. Als er auf den Hüttenhof wechselt, übernimmt sein Schwager Adolph Coenen Wirtschaft und Ländereien.

Im August 1840 leihen die Eheleute Paas von Graf Edmund von Hatzfeldt die Summe von 4.000 Thaler Preußisch Courant und verpfänden ihm ihren Hüttenhof mit dem dazugehörigen Ackerland und den Wiesen. Ihr Besitz ist inzwischen auf eine Gesamtgröße von 87 Morgen, 178 Ruthen, 70 Fuß angewachsen. Zwei Monate später liegt der 57jährige Ludwig Casimir Paas mit „großer Körperschwäche, jedoch bei vollen Geisteskräften“ krank zu Bett. Er läßt den Notar kommen, um sein Testament aufzusetzen. Seinen fünf Kindern vermacht er das vorhandene Vermögen zu gleichen Teilen mit der Einschränkung, daß das Erbe des ältesten Sohnes Gerhard um 775 Taler, 5 Silbergroschen, 10 Pfennig zu kürzen sei, da dieser schon vorzeitig Geld und Mobiliar von ihm erhalten habe. Paas unterschreibt seinen letzten Willen mit zitternder Hand. Aber – er erholt sich wieder und bleibt noch weitere zehn Jahre auf dem Hüttenhof. 1849, ein Jahr vor seinem Ableben, läßt Paas in den umliegenden Dörfern bekannt machen, daß er seinen Haushalt auflöst. Er beauftragt den Ratinger Notar Justin Hamm die Mobilien-Auktion zu leiten und für den gesetzmäßigen Ablauf zu sorgen. 2½ Groschen Schlaggeld haben die Käufer von jedem Taler des Kaufpreises zu zahlen, alles ist unverzüglich zu begleichen und die ersteigerten Gegenstände müssen sofort mitgenommen werden. Töpfe, Krüge, Spülbank, Seihe, Milchschäppe, Bettstellen, Kisten, Mantelstock, Kleider-, Küchenschrank und vieles mehr wechselt ebenso den Besitzer wie Kühe, Rinder, Schweine, Schinken und Speck. Der Zeppenheimer Knecht Heinrich Rettinghaus gehört zu den eifrigsten Bietern. Möglicherweise beabsichtigt er zu heiraten und richtet gerade seinen neuen Hausstand ein. Heinrich Theisen aus Kaiserswerth kauft sich einen Spiegel, den er als Barbier gewiß gut gebrauchen kann. Insgesamt wechseln 157 Teile den Besitzer.

Als Ludwig Casimir Paas 1850 stirbt, beerben ihn seine Kinder:
Gerhard Paas Landwirt, Dammermühle
Peter Paas Landwirt, Gut Morp
Ludwig Paas Landwirt und Gerber, Hüttenhof
Sibilla Paas verheiratet mit dem Wirt Theodor Spickerboom, Sterkrade
Lisette Paas verheiratet mit Professor Joseph Buerbaum, Dorsten.

In den folgenden Monaten kommt nun jeglicher noch vorhandener Mobiliarbesitz des Verstorbenen zur Versteigerung, ferner sämtliche Früchte auf den Feldern und in den Scheunen, landwirtschaftliche Geräte ebenso wie alles Vieh in den Ställen, Schweinefleisch, Schinken und Speck aus den Vorratskammern. Ausgenommen ist die Krautpresse nebst dem eingemauerten Topf und sämtliche dazugehörige Gerätschaften. Am 24. April 1851 wird beim Wirt Anton Sültenfuß, dem Nachfolger des Adolph Coenen, der inzwischen Gastwirt am Kreuzberg ist, der öffentliche Verkauf des Hüttenhofes verhandelt. Sechs Wochen später trifft man sich wieder bei Sültenfuß, um den Kaufvertrag zu ratifizieren. Ludwig Paas, der jüngste Sohn des Verstorbenen, kauft den Hof für die Summe von 4.925 Taler. Er verpflichtet sich zur Einhaltung des jährlichen Sackzehnten an Pastor und Küster wie auch zur Lieferung des siebenpfündigen Brotes für die Kalkumer Armen. Einige Ackerparzellen wechseln noch den Besitzer, danach verbleibt der Hüttenhof mit einer Gesamtfläche von 26 Morgen, 105 Ruthen, 50 Fuß. 1857 werden die Kirchenservitute für alle Abgabepflichtigen definitiv abgelöst.

Neue Hofbesitzer
Bereits im Juni 1851, einen Monat nach dem Erwerb, verkauft Ludwig Paas den Hüttenhof an den Ackersmann Johann Daniel Kemperdick aus Baumberg. Möglicherweise hat Paas den Hof schon im Auftrag von Kemperdick von seinen Geschwistern erstanden, denn er überträgt die Immobilie an ihn zum selben Preis wie er sie erworben hat. Es ist anzunehmen, daß Ludwig Paas später auf das Hatzfeldtsche Pachtgut Morp bei Erkrath gezogen ist, das sein Bruder Gerhard im Januar 1854 gepachtet und für dessen Liquidität Ludwig gebürgt hatte. Johann Daniel Kemperdick ist verheiratet mit Maria Anna Wenzler. 1854 schätzt Johann Daniel Kemperdick den nachgelassenen Hausrat der verstorbenen Eheleute Peter Josef Bertrams, ehe der gesamte Bestand zur Versteigerung kommt. Entgegen der bisherigen Annahme pachtet er nicht das Haus der Familie Bertrams, sondern lediglich einige Ländereien. Der Hof geht in der Verpachtung im Dezember 1855 sofort an den Landwirt Theodor Stein. Über viele Jahre hat Johann Daniel Kemperdick das Amt des Rendanten inne. Er verwaltet die Finanzen der Kirchengemeinde und nimmt auch die Rückzahlung der verliehenen Gelder entgegen. Als der Schmied Wilhelm Rondorf aus Zeppenheim und der Schneider Johann Brust aus dem Unterdorf 1858 bei der Kirche eine Anleihe machen, verpflichten sie sich, die Rückzahlung des Geldes in der Wohnung des Rentmeisters vorzunehmen.

1865 vergrößert Kemperdick noch einmal seinen Besitz um etliche Ackerflächen, die er von der Familie des Küsters Conrad Schmitz erwirbt. Vier Jahre später ist Kemperdick zwar noch für die Rendantur der Kirche zuständig, die Bewirtschaftung des Hofes aber hat er seinem Schwiegersohn Johann von Itter übertragen. Dieser ist mit Maria Margaretha Hubertine Kemperdick verheiratet, der einzigen Tochter der Eheleute. Vor 1876 müssen Johann Daniel und Maria Anna Kemperdick auf das Gut Kaldenberg nach Einbrungen verzogen sein, denn Frau Kemperdick verstirbt dort im Januar 1876, ihr Mann acht Jahre später im Juni 1884. Von 1902 an ist Johann von Itter kommunalpolitisch tätig. Nach dem Tod von Peter Bertrams übernimmt er, bis zu seinem Wegzug 1914, das Amt des stellvertretenden Gemeindevorstehers von Kalkum. Nachfolger von Johann von Itter wird später der Zeppenheimer Landwirt Franz Wirz.

Familie Kreutzer
Im Juli 1913 hatte der inzwischen 71jährige Johann von Itter den Hüttenhof an die Eheleute Heinrich Kreutzer und Maria geb. Walbröhl verkauft und war einen Monat später in ein Haus mit Anbau, Hofraum und Garten in Einbrungen, an der Duisburger Chaussee 9c gelegen, verzogen, das er von Karl Lenders erworben hatte. Heinrich Kreutzer wohnt mit seiner Familie auf dem Kleianshof. Von 1907 bis 1919 ist er in Kalkum als Gemeindevorsteher tätig. Das alte Hüttenhofgebäude läßt Heinrich Kreutzer noch im selben Jahr des Erwerbs durch den Kaiserswerther Bauunternehmer Ophoven abreißen. Neu entsteht das heutige stattliche Wohnhaus, das nach dem Ende des 1. Weltkriegs, als der Sohn Rudolf aus Frankreich zurückkehrt, bezogen wird. Bis dahin war der landwirtschaftliche Betrieb auf dem Hüttenhof vom Kleianshof aus mitversorgt worden. Rudolf Kreutzer, der vor dem Krieg ein Ingenieurstudium begonnen hatte, übernimmt den Hüttenhof an Stelle seines gefallenen Bruders Franz. Im November 1921 heiratet er die 21jährige Maria Brockerhoff. Die Eheleute haben drei Kinder, von denen heute Frau Walburga Weinberg mit ihrem Mann den Hüttenhof bewohnt.

Als sich 1926 in Kalkum der Kriegerdenkmal-Bauverein gründet, wird Rudolf Kreutzer zum Schriftführer und Vorsitzenden gewählt. Bereits vier Jahre später, am Pfingstsonntag 1930, findet die Einweihung des Kriegerdenkmals an der Oberdorfstraße statt. Nahezu die gesamte Kalkumer Bevölkerung und zahlreiche Ehrengäste waren zur Feierstunde gekommen. Während des Festaktes wurden aus Flugzeugen der Lufthansa neben einem Kranz der ehemaligen Kriegsteilnehmer auch Margeriten und Kornblumen aus dem Garten der Familie Kreutzer abgeworfen. Rudolf Kreutzer starb 1950, seine Frau Maria 1987. Sie sind auf dem Kalkumer Friedhof beigesetzt. Nur wenige Schritte von ihrer Ruhestätte entfernt hat es einmal ein großes Familiengrab gegeben, in dem die Mitglieder der Familie Kreutzer vom Kleianshof bestattet waren. Dahinter, in der Wiese, stand noch bis in die siebziger Jahre eine weiße Säule, die neben der Aufschrift: „Die Herren vom Hüttenhof“ viele Namen und Daten nannte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückgingen. Leider wurde diese Säule im Zuge übereifriger, unüberlegter Aufräumungsarbeiten zerschlagen und auf den Schutt geworfen.

Der Hüttenhof in Zeppenheim steht heute in der Liste der denkmalgeschützten Gebäude und ist inzwischen vom landwirtschaftlichen Gut zur stattlichen Wohnanlage avanciert. Wer durch das hohe Eingangstor den alten Hofplatz mit seinen mächtigen Pappelbäumen betritt, findet ihn wie in früheren Tagen umsäumt von großen Scheunen. Nur lagert hier schon lange kein Getreide mehr, auch sind keine landwirtschaftlichen Geräte mehr zu finden, sondern moderne Kraftfahrzeuge und neue Technik, - aber der Atem vergangener Zeiten weht immer noch spürbar zwischen den Mauern des ehemaligen Stiftshofes.

Rita Becker