Heimat-Jahrbuch 2005

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Haus und Garten von Max Clarenbach in Wittlaer
Der berühmte Jugendstil-Architekt Joseph Maria Olbrich entwarf die Pläne für seinen Freund
Von Siegfried Weiß

Haus und Garten des Malers Max Clarenbach (Neuss 1880 - 1952 Köln), von denen hier berichtet werden soll, liegen unmittelbar auf dem Hochufer des Rheins und außerhalb des Ortskerns von Wittlaer, An der Kalvey 21, genauer gesagt in Wittlaer-Einbrungen. Von der Terrasse des Hauses geht der Blick über eine hohe Hecke, hinter der sich ein schmaler Weg verbirgt, weiter nach Westen über die Wiesen des Vorflutgeländes – eigentlich ein alter Flussarm - zum Rhein und bis zum gegenüberliegenden Ufer der Gemeinde Nierst. Kaum sichtbar, aber durch die charakteristischen Kopfweiden und gelegentliches Erlengebüsch markiert, durchzieht der Schwarzbach das grasbewachsene Gelände, auf dem sich verstreut riesige Silberpappeln erheben. Folgt der Spaziergänger dem Heckenweg - heute „Max-Clarenbach-Weg“ - rheinabwärts, so passiert er die Gaststätte „Brand's Jupp“, in der Max Clarenbach mit seinem Nachbarn, dem Porträtmaler Klemm, häufig einkehrte, und erreicht auf dem Rheinuferweg schließlich die Stelle, wo der Schwarzbach in den Rhein mündet. Über eine Brücke führt ein Fuß- und Radweg, der alte Leinpfad, stromaufwärts am Fluss entlang bis nach Kaiserswerth.

Joseph Maria Olbrich, geboren in Troppau (heute Opava) am 22. Dezember 1867, erhielt zunächst (bis 1886) eine Ausbildung bei Camillo Sitte und Julius Deininger an der Staatsgewerbeschule in Wien und wechselte 1890 zu einem Architekturstudium bei Carl von Hasenauer an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Anschließend arbeitete er bis 1898 im Büro des Architekten und Stadtplaners Otto Wagner. Olbrich war Mitbegründer der Wiener Secession, deren Ausstellungsgebäude er 1897 bis 1898 entwarf. 1899 wurde er durch den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen als Bauleiter an die Darmstädter Künstlerkolonie berufen, wo er die Ausstellungsbauten und die Künstlervillen auf der Mathildenhöhe und schließlich auch den Hauptbahnhof entwarf. Anlässlich der Planung für das Warenhaus Tietz (heute Kaufhof an der Königsallee) in Düsseldorf verlegte er seine Tätigkeit in die Stadt am Rhein und richtete sein Atelier in unmittelbarer Nähe der Baustelle in der Schadowstraße 44 ein. Das Warenhaus, nach Olbrichs Tod bis 1909 von seinem Schüler und Mitarbeiter Philipp Schäfer vollendet, präsentierte sich in einem als „neo-klassizistisch“ empfundenen Stil. An der Außenfassade im 2. Obergeschoss, zwischen Erfrischungsraum und Gardinenabteilung gelegen, hatte Olbrich eine Folge von vier quadratischen Räumen als „Kunstsalons“ konzipiert. Sie waren einzeln zugänglich und untereinander mit Türen verbunden. 1909 übernahm Clarenbach mit anderen Malern hier die Ausstellungsleitung und setzte die Präsentation „moderner“ deutscher und internationaler Kunst durch.

Neben dem Warenhaus Tietz ist Haus Clarenbach das einzige nach Olbrichs Plänen ausgeführte Bauvorhaben in Düsseldorf, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Gemeinde Wittlaer erst 1975 in die Stadt eingemeindet wurde. In seiner grundlegenden Konzeption bildete dieser Entwurf einen notwendigerweise krassen Gegensatz zur Gestaltung des Kaufhauses, aber auch zu den ebenfalls von Olbrich im Kölner Raum geplanten repräsentativen Einzelvillen von 1808/09, die sämtlich durch Kriegseinwirkung 1943 zerstört wurden, den Häusern van Geelen und Hugo Kruska in Köln-Lindenthal sowie den Villen für den Metallgroßhändler Walter Banzhaf beziehungsweise für den Tabakgroßhändler Josef Feinhals in Köln-Marienburg. Und von diesen insbesondere letztere, mit ihrer monumentalen, symmetrischen Fassade, einem Portikus mit sechs dorischen Säulen und großartiger Freitreppe zum Garten hin.

Der Architekt, Joseph Maria Olbrich, und der Bauherr, Max Clarenbach, hatten sich anlässlich der Ausstellungen des „Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein“ kennengelernt, an denen Olbrich seit 1904/05 als Mitglied der Darmstädter Künstlerkommission mitwirkte und Clarenbach als Aussteller teilnahm. Die beginnende Freundschaft zwischen dem 38-jährigen Architekten und dem 10 Jahre jüngeren Maler vertiefte sich anlässlich der „Kölner Ausstellung“ im Mai 1907. Olbrich war Mitglied des Künstlerischen Beirats, Clarenbach und sein Freund August Deusser waren als Künstler präsent.

Bereits 1899 hatte der Maler – anlässlich eines 14-tägigen Aufenthaltes in Wittlaer – den Reiz der Rheinauen für sich entdeckt und in Aquarellen erfasst. Seit 1901 arbeitete er im Atelier von Arthur Kampf (1864-1950) auf dem Honnenhof in Bockum, nördlich von Wittlaer; 1904 heiratete er Alice Eitel. Nun erwarb er das Grundstück am südlichen Ortsrand des Dorfes und beauftragte Olbrich mit dem Entwurf seines Wohnhaus-Neubaus – als Gegenleistung soll er dem Freund Malunterricht erteilt haben. An älteren Gebäuden in unmittelbarer Nachbarschaft des Bauplatzes bestanden lediglich, unterhalb auf einer ehemaligen Rheininsel gelegen, Haus Werth, eine alte Treidelstation, und rheinaufwärts angrenzend das Wohnhaus des - allerdings bereits 1900 verstorbenen - norwegischen Landschaftsmalers Anders Askevold. Wenig später entstand in der Nachbarschaft, An der Kalvey 11, das Haus für den Düsseldorfer Josef Unkelbach, nach dem Entwurf des Architekten Hans Schleh von 19088. Das nordwestliche, unbebaute Nachbargrundstück hat Clarenbach offenbar später dazu erworben; es scheint aber nie in den eigentlichen Hausbereich einbezogen gewesen zu sein. Der Grundstücksplan der Bauakte weist einen Wilhelm Jaegers als Eigentümer aus. Später ließ sich auf der rheinabwärts folgenden Parzelle der Porträtmaler Franzjosef Klemm (Köln 1883 - 1956 Wittlaer)9 nieder, mit dem sich Clarenbach anfreundete.

Im Februar 1908 wurde mit dem Rohbau des Clarenbach-Hauses begonnen und dieser von der Baubehörde im Juli desselben Jahres abgenommen; bereits im Oktober 1908 bezog der Maler mit seiner Familie das Haus. Die originale Bauakte enthält an Planzeichnungen neben den vier Geschossgrundrissen, der Balkenlage des Daches, einem Querschnitt und den vier Ansichten des Hauses - alle im Maßstab 1:100 - auch den erwähnten Grundstücksplan sowie einen Lageplan (1:200) mit den Außenanlagen. Olbrich hat die Vollendung seines Entwurfs nicht mehr erleben können; im August des Jahres ist der erst 40-jährige in einem Düsseldorfer Krankenhaus an Leukämie verstorben.

Eine Planzeichnung Olbrichs11, bestehend aus einem Erdgeschoss-Grundriss und vier Ansichten, ist von der Baumasse und der Raumaufteilung her als Vorentwurf für das Haus des Malers anzusehen, weicht jedoch in bestimmenden Einzelheiten erheblich von der 1908 ausgeführten Planung ab12. Im Entwurf steht das Haus mit den Giebelseiten zum Rhein bzw. zur Anliegerstraße. Von einem zum Heckenweg hin gelegenen, vorspringenden Eingang, der innerhalb der Fassade mit einer darüberliegenden Gaube des Dachausbaus verbunden ist, betritt man einen Flurbereich, von dem eine Treppe zum Obergeschoss, eine weitere zu einem höherliegenden, eineinhalb-geschossigen Atelieranbau führt. Von außen sind Wohn- und Atelieranbau zu einem Gebäudekomplex verbunden, aber durch Gliederung von einander abgesetzt; der Arbeitsbereich des Malers ist zusätzlich durch große Glasfenster in beiden Dachschrägen gekennzeichnet.

Im ausgeführten Bauwerk wurden der Keller und die Kellerdecke aus Beton gegossen, das Erdgeschoss gemauert und teils verblendet, teils weiß verputzt. Das Obergeschoss mit beidseitigen Fenstergauben und ein schmales Dachgeschoss waren in die Holzkonstruktion des Mansardendaches integriert und mit Fachwerkwänden unterteilt. Das gesamte Dach, eine Pfetten- und Sparrenkonstruktion, war mit grauen Bieberschwanzziegeln gedeckt. Über den Dachfirst erhoben sich mittig der Schornstein der Warmwasser-Heizungsanlage im Keller und an der Giebelseite der des offenen Kamins im Wohnzimmer; er trug die beiden einst für das Haus charakteristischen vergoldeten Kugeln, die heute nicht mehr vorhanden sind. Die Dachkante (Ortgang) an den Giebeln wurde mit Holz geschlossen und mit ornamentierten Brettern verblendet; die Verglasung der Fenster war - in der für Olbrich typischen Art - durch Sprossen unterteilt.

Den Typus des für Max Clarenbach entworfenen Hauses hatte Olbrich im Zusammenhang mit seiner Planung eines kostengünstigen Einfamilienhauses für eine Kleinwohnungskolonie entwickelt. Sein Beitrag wurde als „Arbeiterhaus Opel“ durch den Fabrikanten Wilhelm Opel anlässlich der Hessischen Landesausstellung für freie und angewandte Kunst 1908 in Darmstadt errichtet. Er zeichnete sich bereits durch die Trennung von Koch- und Essbereich aus und sah ein Badezimmer vor, das von fast allen anderen Architekten in ihren Planungen vergessen worden war. Das Gebäude trug „mit seinen hellen, weißen Verputzflächen und dem tief herabgezogenen roten Ziegeldach den Charakter eines freundlichen Sommerhauses“.

Dem fertigen Haus Clarenbachs näherte man sich, in dem man den zur Straße hin gelegenen, größeren Teil des Gartens durchquerte. Unter einer übergrünten Pergola aus weiß gestrichenen Holzbalken, nun an der Südostseite des Hauses, führten wenige Stufen - sie ermöglichten die Belichtung der Kellerräume durch Oberlichtfenster, die über Terrain-Niveau lagen - zum Haupteingang. Zunächst betrat man einen Flur, von dem aus - wie im Vorentwurf - eine Treppe zum Keller mit Räumen für die Heizung, Waschkammer, Vorräte und Kohlen, beziehungsweise nach oben führte. Geradeaus gelangte man zu Küche und Esszimmer, nach links über einen Empfangsraum (Herrenzimmer) zum Wohnzimmer und zur verglasten Loggia mit Ausgang zur Terrasse. Im Obergeschoss befanden sich zur Rheinseite hin gelegen das Eltern- und zwei Kinderschlafzimmer, das Arbeitszimmer des Malers mit großflächigen Fenstern nach Nordosten sowie Bad und WC; ein weiterer Schlafraum und Kammern waren im Dachgeschoss untergebracht.

Der „Farbengarten“
Unter diesem Titel hielt Olbrich eine enthusiastische Rede vor der 18. Hauptversammlung „Deutscher Gartenkünstler“, anlässlich der Gartenbau-Ausstellung 1905 in der Darmstädter Orangerie. Grundgedanke war die farblich auf „schmucklose, weiße Bauten“ abgestimmte Anpflanzung von Blumen, Sträuchern und Bäumen, die durch einfriedende Mauern als „stiller Garten“ gedacht waren. Zusammen mit Pflanzkästen, Pergolen mit Sitzbänken, Stufen und zweckdienlichen Garten- und Beetabmessungen sollte sich ein harmonisches Ganzes ergeben. Damit wandte sich Olbrich gegen die Landschaftsgärten der Villenkolonien. In einem den Bauunterlagen des Clarenbach-Hauses beigefügten Gartenplan hat Olbrich auch einen Vorschlag für dessen Außenanlagen gemacht, der sich auf die unmittelbare Umgebung des Hauses bezieht. Charakteristisch für seine Auseinandersetzung mit dem „Farbengarten“ sind Areale für blau- und gelbblühende Blumen, für Schnitt- und Herbstblumen, eine Rosenanpflanzung, Spalierobst und Rasenflächen angegeben. Eine Reihe von vier Bäumen vor dem Haus bestand vermutlich aus jungen Silberpappeln - eine ist als Baumriese noch erhalten. Von der Terrasse führte eine steile Treppe zum Heckenweg hinab. Die ursprüngliche, heute veränderte Situation, mit ihren beidseitig auf Sockeln installierten, von Olbrich entworfenen Außenlaternen, weiß gestrichenen Holzspalieren und einem abschließenden, ebenfalls weißen Gartentor zum Heckenweg, ist auf alten Fotografien des Hauses und durch ein Gemälde Clarenbachs dokumentiert.

Zweifellos hat vor allem die Freundschaft und die künstlerische Auseinandersetzung mit Olbrich Max Clarenbach inspiriert, das Motiv des Gartens, zumal den seines eigenen Hauses, künstlerisch zu thematisieren. Den Garten als Thema der bildenden Kunst hatten allerdings bereits die französischen Impressionisten entdeckt. „Jardin en fleurs“ nannte Claude Monet sein Gemälde von 1866 (Paris, Musée d'Orsay), und der berühmteste nach künstlerischen Gesichtspunkten farbig gestaltete Garten war sein eigener in Giverny. Da Monet ihn zwischen 1883 und 1926 in hunderten von Gemälden dargestellt hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Clarenbach eines der Bilder schon anlässlich seines Parisaufenthaltes (um 1905/07) gesehen hat. Gartenbilder Monets hingen schließlich vereint mit denen Clarenbachs in der Sonderbund-Ausstellung von 1910 und dürften auch andere Maler beeinflusst haben: Ebenfalls von den Malerfreunden Julius Bretz („Das Gartentor“, um 1911; Sammlung Volmer, Wuppertal), August Deusser („Blumengarten“; Abb.: Lexikon der Düsseldorfer Malerschule, Bd. 1, S. 280, - „Gärten in Monheim“, um 1906/12; Abb.: Klara Denker-Nagels, Hrg.: August Deusser, Leben und Werk, Köln 1995) Walter Ophey („Garten in Bigge“, 1909/10; Sammlung Volmer, Wuppertal) und Ernst de Peerdt sind Gartenbilder bekannt. Doch während Monets gemalte Natur im Licht flimmert und sich in unendliche Farbnuancen auflöst, wirken Clarenbachs frühe Gartenbilder geometrisch konstruiert und der Farbauftrag geschlossener. Das Bestreben, die Natur durch Geometrie und Perspektive zu erfassen ist jedoch nicht der „kühleren“ nordischen Mentalität zuzurechnen: Schließlich sind beide Phänomene Erfindungen der Griechen beziehungsweise der Italiener. Vielmehr ist es wohl so, dass Geometrie und Perspektive in einem übergeordneten Sinne dem Menschen dazu dienen - im Falle der Perspektive sogar ganz konkret - die eigene Position innerhalb der Natur zu bestimmen.

Eines der frühesten Gemälde der Reihe von Gartenbildern Clarenbachs (Öl auf Leinwand, 48,5 x 65 cm; signiert u.r.: M. Clarenbach; Galerie Paffrath, Düsseldorf; s. Gartenbild 1) zeigt den perspektivisch konstruierten Blick von der Pergola des Hauseingangs in nordöstliche Richtung, wo der Garten von einem weiß gestrichenen Tor und Hecken begrenzt wird. Vom Tor her führt ein Weg zum Wohnhaus, dessen Position durch seinen schräg in den Bildausschnitt fallenden Schatten fixiert ist. Am rechten Bildrand ist der Zaun zum Nachbargrundstück gegeben; ein dort befindliches Gebäude (ein Schuppen?) erscheint im Anschnitt. Im Bild dominiert die klare Komposition von farblich zusammengezogenen Flächen, unter ihnen besonders frappierend die senkrecht vom Betrachter zum konstruktiven Fluchtpunkt der eingesetzten Zentralperspektive verlaufenden Begrenzung einer befestigten Fläche vorne rechts. Dieser Fluchtpunkt, auf den sich auch der Zaun und in etwa die Reihen junger Bäume auf der Rasenfläche beziehen, wird sogar durch die Angabe eines Baumstammes am Horizont markiert. Um der Komposition eine allzu starre Strenge zu nehmen, sind abweichende Fluchtlinien malerisch eingesetzt. Die vorherrschenden Formen - Dreieck, Trapez und Quadrat - werden von der Waagrechten des Horizontes gehalten und beruhigt. Dieses Konzept wird in der Darstellung eines Kastens (für Gartenabfälle?), das aus grünlich-schwarz schimmernden, rotbraunen und weißen Drei- und Vierecken besteht, weiß und grün gerahmt, gleichsam programmatisch zitiert; offensichtlich handelt es sich um einen Entwurf Olbrichs. Zusätzlich lassen die jungen, wohl erst kürzlich angepflanzten Bäume den Schluss zu, dass das Gemälde bereits kurz nach Bezug des Hauses, im Spätsommer 1908, entstanden ist. Und bezieht man die parallelen Schatten der Bäume und des Hauses auf die Lage des Grundstücks, so verrät der Sonnenstand im Südwesten sogar die aktuelle nachmittägliche Tageszeit.

Ein weiteres Gartenbild Clarenbachs (Öl auf Leinwand, 60,5 x 70,5 cm; signiert u.a.: M. Clarenbach; Galerie Paffrath, Düsseldorf; s. Gartenbild 2) führt den Blick von der zuvor beschriebenen Situation weiter nach links, direkt in nördliche Richtung. Wege, Beete und Rasenflächen des genau mittig komponierten Bildes sind perspektivisch je auf einen rechts beziehungsweise links außerhalb des Bildes gelegenen Fluchtpunkt orientiert. An nun bereits erfolgte Anpflanzungen im Garten schließen sich - ohne Begrenzung durch einen Zaun oder ähnliches - unbebaute Felder an, was ebenfalls auf eine relativ frühe Entstehungszeit des Bildes schließen lässt, etwa Frühjahr 1909. Am hoch angesetzten Horizont sind links die Baumgärten der hier beginnenden Bebauung von Wittlaer zu sehen, an ihrem rechten Ende das noch erhaltene heutige Haus Duisburger Landstraße 29. Nach rechts führt die baumgesäumte Landstraße nach Kaiserswerth und Düsseldorf. Die Tageszeit ist wiederum durch den Schatten des Hauses, links im Bild, dokumentiert: Es ist früher Nachmittag.

Die Situation zur gegenüberliegenden Rheinseite zeigt Clarenbach in einer fast fotografisch ausschnitthaft gegebenen Komposition: Sie bietet sich, wenn der Maler (und mit ihm der Betrachter des Bildes) aus dem Fenster eines der im Obergeschoss gelegenen Räume des Hauses genau nach Süden schaut (s. Gartenbild 3). Der Blick geht über die Terrasse und die verdeckt liegende Böschung zu den baumbestandenen Wiesen des Vorflutgeländes und lässt den Verlauf des Rheins gerade noch ahnen. Eine Gruppe von Sträuchern schließt gegen das Nachbargrundstück ab. Gartenschmuck in Form einer steinernen Kugel auf der seitlichen Führung und einer Laterne, deren beider Pendants auf der anderen Seite des Abgangs zum Heckenweg zu ergänzen sind, dokumentieren die Gestaltung auch des Außenbereichs des Hauses durch den Architekten. Weiß getupfte Flächen und bläuliche Schatten verweisen auf die winterliche Jahreszeit.

Ein Gemälde „Blumengarten“ (Öl/Lwd., 55 x 65 cm; s. Heimat-Jahrbuch Wittlaer 2001, S.77)16, das einen Blick über blühende Blumen in eine weite Landschaft zeigt, korrespondiert inhaltlich mit zwei weiteren Darstellungen: „Sommergarten mit blühenden Blumen“ (Öl/Lwd., 60.5 x 80 cm; sign. u.r.: M. Clarenbach; Galerie Paffrath, Düsseldorf, s. Gartenbild 4) und „Blumengarten“ (Öl/Lwd., 90 x 100 cm; sign. u.r.: M. Clarenbach). Von der Entstehungszeit her einander näher liegen die beiden letztgenannten Bilder, auf denen hinter der mit Sonnenblumen markierten (wohl nordwestlichen) Grundstücksgrenze große Heuhaufen sichtbar werden. Alle drei sind jedoch später gemalt als die beiden anfangs vorgestellten Gemälde. Hierauf verweisen ebenso der heftigere Duktus des Pinselstrichs und ein mehr summarischer Farbauftrag, als auch die bewusst kontrastiv eingesetzten dunklen Schatten, die die Farben der Blumen leuchten lassen.

Zahlreiche weitere Gartengemälde Clarenbachs befinden sich in Privatbesitz, so „Blumen- und Gemüsegarten“ (Öl/Lwd., 100 x 115 cm), „Gladiolen“, 1909 (Öl/Lwd., 60 x 50 cm) und „Hortensien“ (Öl/Lwd., 86,5 x 64 cm), die 1980 im Clemens-Sels-Museum, Neuss, ausgestellt waren, oder „Blumengarten am Clarenbach-Haus“ (Öl/Lwd., 60 x 70 cm, s. Gartenbild 5) in der Sammlung Volmer, Wuppertal18. Das Gemälde „Stockrosen“ (Privatbesitz) zeigt vermutlich die Kombination der nahe gesehenen Malven an der Hausterrasse mit dem Blick aus dem Fenster des Obergeschosses darüber: Auf dem Vorflutgelände mit seinen charakteristischen Kopfweiden und grasenden Kühen erscheinen im Hintergrund breitflächig das helle Band des Rheines und sein gegenüberliegendes Nierster Ufer. Wesentlich später entstanden als alle vorgenannten Bilder ist die „Baumblüte im Garten Clarenbach“ (s. Gartenbild 6). Zu den noch an Stangen verankerten, frisch gepflanzten Kirschbäumchen (s. Gartenbild 4) sind weitere hinzugekommen und alle seitdem kräftig gewachsen. Zwischen ihren Stämmen sieht man - rechts von der Bildmitte - das Einfahrtstor an der Anliegerstraße, deren Verlauf inzwischen durch hohe Pappeln markiert wird.

Veränderungen
Nach Clarenbachs Tod - 1952 - wurde der gesamte Besitz einschließlich des Hauses und des Nachbargrundstücks von seiner zweiten Frau Ellen, geborene Becker, veräußert, um die beiden Töchter aus der ersten Ehe des Malers, Inge und Melitta, auszahlen zu können. Auf einem Teil dieses Nachbargrundstücks ließ sich eine von ihnen ein Haus errichten. Ellen Clarenbach besaß noch eine ganze Reihe von Skizzen und Entwürfen, mit denen Olbrich den Bau des Hauses vorbereitet hatte; ihr Verbleib ist nicht bekannt.

Das Haus selbst und seine unmittelbare Umgebung veränderten sich mit der Zeit und mit den Bedürfnissen seiner späteren Besitzer. Bereits Clarenbach hatte 1929 eine Garage erstellen lassen; 1942 wurde ein Kellerraum entsprechend den Bestimmungen für den Luftschutz umgebaut. Tiefgreifender waren die Veränderungen des Umbaus von 1956/57, bei dem unter anderem das Esszimmer eine zusätzliche Terrasse erhielt und Wohnzimmer, Empfangsraum und Wintergarten zu einem Raum zusammengefasst wurden. Die Eingangspergola wurde abgerissen und durch einen verglasten Eingangspavillon ersetzt; die Fenster verloren ihre typischen Sprossenteilungen. Bei weiteren Umbauten 1970 und 1988 (Architekten: Wetz bzw. Paul Ernst, Düsseldorf), wurde das Äußere des Hauses dem ursprünglichen Zustand wieder angenähert; die von Olbrich ebenfalls entworfene Innenausstattung und die ursprüngliche Gartengestaltung sind jedoch verloren. Geblieben ist die intime Atmosphäre, die vom Bezug des Hauses auf die - unverbaubaren - Rheinauen bestimmt ist.

Siegfried Weiß