Heimat-Jahrbuch 2006

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„Trepp eraf, wä jebützt hät!“
Erinnerungen an den Kaiserswerther Küster Johann Füsser (1868-1928)
Von Therese Tinnefeld

Küster Johann Füsser! Er ist nicht wegzu­denken aus meinen Kindheitserinnerungen an das alte Kaiserswerth. Er wohnte mit seiner Familie im Küsterhaus an der Südseite der Kirche. Im Nebenberuf war er Schreiner, ein fleißiger Mann. Es gab keinen Gottesdienst, keine Prozession, keine Geburt, Hochzeit oder Beerdigung ohne Küster Füsser. Noch heute habe ich den durchdringenden klaren Klang seiner Stimme im Ohr, wenn er im Frühling, zur Zeit der Markus-Prozessionen, die am Kittelbach entlang zur frühen Stunde durch die taubenetzten Wiesen pilgerten, seine „Fürbitten“ dem Herrgott zu Ehren in den Morgen sang.

Oft hörte ich ihm zu, wenn er bei Besichtigungen des Suitbertus-Schreins in der Kirche seine Kommentare gab und von den Beschützern des Heiligen, Pippin und seiner Gemahlin und „Gönnerin“ Plektrudis, erzählte. Seine große Zeit hatte er bei den Suitber­tus-Jubiläen, die alle 25 Jahre am Gedenktag des Heiligen in Kaiserswerth gehalten werden. Dann wird der kostbare Goldschrein ge­öffnet und die Gebeine zur Verehrung in der Kirche ausgestellt. Ich erinnere mich besonders an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Da strömten zum Suitbertus-Jubiläumsjahr eine Woche lang aus der ganzen Umgebung die Pilgerzüge in das stille Städtchen. Auf dem Kirchplatz, gegenüber meinem Eltern­haus, war eine Bude aufgebaut. Dort durfte ich mit einer Freundin im Auftrag der Pfarre fromme Dinge wie Rosenkränze, Gebetbücher, Devotionalien aller Art, aber auch Schmuck und Spielsachen, den Pilgern zum Verkauf anbieten, was mir viel Freude bereitete. Eine gefüllte Kasse trug uns am Abend ein Lob des Pastors ein.

Aber zurück zu Küster Füsser! Damals war für uns Schulkinder das „Reliquien-Küssen“ vorgeschrieben. Der Küster wischte dabei nach jedem Kuss mit einem „Mini“-Tüchlein über die Glasscheibe und - ich vergesse das nie - raunte dabei jedem Kind, das die Zeremonie hinter sich hatte, zu: „Trepp eraf, wä jebützt hät!“ Ich weiß noch, wie ich eines Tages von meiner Mutter mit einer Flasche zum Küster geschickt wurde, um Weihwasser zu holen. Er war allein zu Hause und suchte, nachdem ich mein Anliegen vorgebracht hatte, verzweifelt nach einem Gefäß für das gesegnete Nass. Da er nichts fand, schnappte er vom Spülstein eine ungereinigte „Milchschepp“, zog mit mir zur Kirche und füllte meine Flasche mit Hilfe eines Trichters. Auf dem Nachhauseweg sah ich staunend den Inhalt: eine Art Magermilch, in der sich lustige Rahmfetzen herumtummelten. Meine Mutter war weniger entzückt, füllte aber dennoch die Weihwasserkessel mit der Mischung, und wir segneten uns vor dem Zubettgehen mit der „Weihmilch“, wie wir Kinder sagten.

Küster Füsser war dreimal verheiratet. Die erste Ehefrau starb, so viel ich weiß, an Kindbettfieber, die zweite an einer Lungenkrankheit. Die dritte war, als er sie heiratete, schon ein älteres Semester. Eines Tages ging sie ihm nach einer lebhaften ehelichen Auseinandersetzung auf und davon. Nachdem der Küster ihren Aufenthaltsort ausgekundschaftet hatte, versuchte er sie, mit Hilfe unseres Telefons zurückzubeordern. Der Fernsprecher hing, wie damals üblich, im Hausflur, und in allen Parterreräumen des Hauses waren die Ausführungen des lebhaft disputierenden Küsters zu hören. Sein letztes schönes Argument war: „Mach kee Jedöns, komm noh Hus. De Frau jehöht beim Mann!“ Sie kam zurück.