Heimat-Jahrbuch 2006

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Die Falknerei im Düsseldorfer Norden
Die Beizjagd ist eine der ältesten noch praktizierten Jagdmethoden
Von Franz Schnurbusch

Die Landschaft des Düsseldorfer Nordens zwischen Lohausen, Kaiserswerth und Wittlaer wurde schon vor 80 Jahren von dem berühmten Tiermaler Renz Waller als Jagdgebiet für seine Wanderfalken erkannt und genutzt. Für ihn waren die Rheinauen die schönsten und für seine Falken die idealsten Jagdgründe. Nur schwierig wurde es, wenn seine Jagdvögel über den Rhein auf die „schäl Sitt“, also aufs linke Rheinufer flogen und dort Beute machten. Da der Falkner noch nicht so motorisiert wie wir heutigen Falkner war, musste er lange hinter seinem Jagdvogel herlaufen und ihn tagelang suchen, bis er ihn wiederfand. Dieser hatte sich inzwischen an seiner Beute aufgekröpft, d.h. satt gefressen, saß faul irgendwo auf einem Baum, auf einem Kirchturm oder anderen hohen Stellen und verdaute oder döste gut genährt vor sich hin.

Ja, die Falknerei! Diese alte Kunst, mit Vögeln zu jagen, beschreibt der berühmte Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen in seinem Buch „De arte cum avibus venandi“ (Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen) schon um 1250. Dieses hervorragende Buch wird auch heute noch (aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt) als Lehrbuch von Falknern genutzt.

In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg jagten Renz Waller und seine Freunde bis in die 50er Jahre hier im Düsseldorfer Norden. Ich traf den Maler 1958 in seinem Atelier in Mettmann an seiner Staffelei, als ich zu Fuß von Ratingen-Tiefenbroich mit meinem Habicht auf der Faust an einem Sonntagmorgen dorthin spazierte. Falkner müssen gut zu Fuß sein und im richtigen Moment auch sprinten können, genau dann, wenn der Jagdvogel Beute gemacht hat und anfängt, sich satt zu fressen. Dann muss der Falkner ihm, wenn er ihn erreicht hat, sehr gelassen und äußerst freundlich dessen Beute gegen einen leckeren, aber wesentlich kleineren Happen Fleisch tauschen und den Vogel auf seiner Faust fressen lassen. Dann, wenn er nämlich noch lange nicht satt ist, darf er noch mal jagen.

Nun zur Technik der Beizjagd: Die Beizvögel der Arten Habicht, Wanderfalke und Steinadler dürfen nach dem Gesetz in Deutschland eingesetzt werden. Sie stammen bis auf die Habichte aus kontrollierten Greifvogelzuchten, Habichte dürfen als noch nicht flügge Jungvögel der Natur entnommen werden. Dies bedarf einer Aushorstungsgenehmigung, die von den zuständigen Jagdbehörden erteilt wird. Die Entnahme durch die Falkner wird von der Behörde und dem Jagdausübungsberechtigten des Jagdreviers, in dem der Habichtshorst ist, kontrolliert. Die Jungvögel der drei genannten Arten werden, sobald ihr Gefieder voll ausgewachsen ist, ausgebildet.

Der erste Schritt der Ausbildung besteht darin, dass der Jungvogel Vertrauen zum Falkner gewinnt. Dies erfolgt über das Futter. Der Vogel bekommt nur Futter über die behandschuhte Faust des Falkners. Wenn der Vogel den Lederhandschuh als Futterquelle akzeptiert, dann muss der Vogel aus immer weiterer Distanz auf die Hand geflogen kommen. Wenn er im Abstand von 30 m regelmäßig, d. h. täglich bei der Fütterung fliegt, dann kann man sich seines Vogels sicher sein, dass er nicht wegfliegt. Fliegen lassen darf man ihn aber nur vor der Fütterung, da er sonst zur Verdauung weiter wegfliegt und der Falkner ihn nicht mehr kontrollieren kann. Dem Locke machen folgt nun die Ausbildung zum Jagdvogel. Habichte und Adler werden an Kaninchen- oder Hasenbälge gewöhnt, d.h. ihr gewohntes Futter Fleisch oder Kücken werden am Kopf des Balges befestigt und der Balg von einem Hilfsfalkner an einer langen Schnur hinter sich hergezogen. Der Vogel sieht das Futter und den Balg des Kaninchens. Da er hungrig ist, fliegt er zum Fleischbrocken auf dem Balg und will es ergreifen. Da der Balg flott gezogen wird, muss der Vogel zielgenau fliegen, um sein Futter zu greifen. Da dies am Balg befestigt ist, erlebt der Vogel das positive Gefühl, vom Balg eines Kaninchens oder Hasen sein Futter zu bekommen.

Erst wenn die Übung absolut erfolgreich ist, kann mit den ersten Jagdversuchen begonnen werden. Bei der Ausbildung der Vögel, aber auch beim täglichen Umgang sollte stets der Vogelhund dabei sein, dies ist ein Vorstehhund, z.B. ein Setter, Münsterländer oder ein Pointer. Hund und Vogel sind bei regelmäßigem Umgang total aneinander gewöhnt. Wenn nun der gut ausgebildete Jagdhund ein Kaninchen gerochen und durch Vorstehen angezeigt hat, steht der Vogel auf der Faust des Falkners und schaut deutlich zu der Stelle hin. Der Falkner treibt nun mit einem Stecken das Kaninchen aus dem Versteck, indem er auf den Busch klopft. Er wirft seinen Habicht in Richtung des flüchtenden Kaninchens, und da der Vogel gelernt hat, dass er sein Futter vom Kopf eines Kaninchenbalges bekommen hat, so fliegt er den Kopf des Kaninchens an und schlägt, wie er es gewöhnt ist, mit seinen scharfen Krallen in den Kopf. Dass er es nicht mehr loslässt, ist ein angeborenes Verhalten, während er die Erfahrung, in den Kopf zu schlagen, erlernt hat.

Ähnlich wird auch der Wanderfalke ausgebildet. Da er ein reiner Vogeljäger ist, nimmt man einen Lederbalg an einer langen Schnur, an dem zwei Schwingen des zu erbeutenden Vogels befestigt sind, z.B. Tauben-, Krähen-, Elstern-, Fasanen- oder Stockentenschwingen. Auf dem Lederbalg wird Futter gebunden und der so einem Vogel ähnelnde Balg, das Federspiel, hoch in die Luft geschleudert. Es muss aber vom Falkner an einer 2 m langen Schnur festgehalten werden. Der Falke versucht jetzt, das Federspiel aus der Luft zu greifen, so wie er auch später Vögel aus der Luft greifen soll. Wenn er nun täglich aus allen Positionen auf das Federspiel jagen gelernt hat, dann kommt der große Tag der Beize. Auch hier hilft der Jagdhund, als so genannter Vogelhund ausgebildet, die Fasanen im Herbst im Rübenacker zu finden. Der Vogel steigt, sobald der Hund vorsteht, hoch in die Luft. Der Falkner treibt nun mit einem Holz den Fasan aus seinem Versteck und, sobald er auffliegt, stößt der Beizvogel von oben auf ihn herab. Die einzige Chance des Fasans ist, sich sofort wieder zu Boden zu werfen, denn am Boden kann der Falke nicht jagen. Steigt jedoch der Fasan oder die Ente, dann greift der Vogel zu, bindet die Beute mit seinen festen Händen und trägt sie zu Boden. Hier tötet er den sich heftig wehrenden Vogel, indem er mit seinem scharfen Schnabel zubeißt. Vom Beißen kommt auch der Begriff Beizjagd. Nie darf der Falkner dem Beizvogel, ob Adler, Wanderfalke oder Habicht die Beute gewaltsam entreißen. Er tauscht die Beute gegen eine kleine Menge leckeren Fleisches ein. Sobald der Vogel den Leckerbissen frisst, lässt er die Beute los, und der Falkner lässt sie in seiner großen Falknertasche verschwinden.

Höchstens 1-4 Flüge kann der Falkner pro Tag mit seinem Beizvogel machen. So ist die Beute nur für den eigenen Bedarf ausreichend. Nie wird dabei ein Beutetier verletzt, entweder es ist tot oder es kommt unverletzt davon. Stets greift ein erfahrener Beizvogel die schwachen Beutetiere, nie die vitalsten. Das ist bedeutsam für die Arterhaltung der Beutetierarten, da die starken überleben und die schwachen sterben. Aber auch einige weitere Vorteile gegenüber der Jagd mit der Flinte ergeben sich:
- Die Beutetiere sind frei von Schrotkugeln und schmackhafter.
- Falkner können eher eine Ausnahmegenehmigung erhalten, auf befriedeten Bezirken zu jagen als Jäger. In Wohngebieten können Menschen und Sachen durch Geschosse gefährdet werden, nie aber durch Beizvögel.

So ist die Beizjagd eine der ältesten noch praktizierten Jagdmethoden und immer noch zeitgemäß, da ökologisch, sportlich, im Einklang mit Natur und still. Bedauerlich wäre es, diese Jagdart zu vergessen, ja durch Unverstand zu verbieten. Denn durch die Falkner und ihre intimen Kenntnisse der Greifvögel ist dem Artenschutz besonders gut gedient.