Heimat-Jahrbuch 2007

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Prof. DDr. Hans Waldenfels nahm Abschied von Wittlaer
Der Heimat- und Kulturkreis Wittlaer dankt für seine nachhaltige Unterstützung
Von Bruno Bauer

Die Eingemeindung Wittlaers nach Düsseldorf im Jahre 1975 wurde von der Wittlaerer Bevölkerung nicht freudig begrüßt. Die Auflösung des 19 Mitglieder starken Wittlaerer Gemeinderates bedeutete den Abschied von einer bürgernahen Politik und das Ende selbständigen Handelns. Stattdessen standen nun die Interessen der Stadt Düsseldorf im Vordergrund. Der neu geschaffenen, für den gesamten Stadtbezirk 5 zuständigen Bezirksvertretung wurde nicht allzu viel zugetraut. Wer aber sollte jetzt die Wittlaerer Interessen vertreten? In den benachbarten Stadtteilen bestanden teilweise schon seit einigen Jahren Bürgervereine. Wittlaer hatte bislang seine Interessen durch den Gemeinderat gut vertreten können. Nach Auflösung dieses Gremiums forderten einige engagierte Bürger die Gründung eines Vereins als Sprachrohr der Wittlaerer Bürgerschaft. Im Jahre 1978 schließlich kam es zur Gründung des Heimat- und Kulturkreises Wittlaer. Mit Dr. Hermann Eich, damals Chefredakteur des Westdeutschen Zeitung, gewann der Verein einen überragenden 1. Vorsitzenden. Wie sehr der Kulturkreis von der Wittlaerer Bevölkerung begrüßt wurde, zeigt die rasante Mitgliederentwicklung: Im September des Gründungsjahres hatten sich schon 200 Mitglieder eingeschrieben, im April 1979 bereits 300.

Eine Unterstützung seiner Aufgaben und Ziele erfuhr der Heimat- und Kulturkreis Wittlaer auch durch den Subsidiar und Pfarrverweser der kath. Pfarre St. Remigius, Prof. Waldenfels, der schon bald nach Gründung des Vereins Mitglied wurde. Bereits Anfang 1979 hatte der Vorstand Prof. Waldenfels als Referenten gewinnen können. Vor einem zahlreich erschienenen Publikum hielt er einen Vortrag über „Wittlaer – Beobachtungen in einer Stadtrandgemeinde.“ In seinem Vortrag sprach er viele Themen an, die bis heute an Aktualität nichts verloren haben. Zur Integration der Neubürger sagte er: „Der Ort Wittlaer aber wird in dem Maße an Lebensqualität gewinnen, als es gelingt, die Integrationsfaktoren zu verstärken.“ Und: „Es gibt aber keine Integration, wenn sich nicht immer wieder integrierende Persönlichkeiten zum Wohle des Ortes einsetzen und zur Verfügung stellen.“ Eine gelungene Integration führt dazu, dass Menschen heimisch werden: „Wohl aber kann der, der entweder in Wittlaer groß wird oder dort lebt und zu Hause ist, sich hier einüben, auch in der weiten Welt zu Hause zu sein und ohne Angst zu leben. Persönlich glaube ich, dass die Sehnsucht nach einer Heimat bei keinem Menschen ganz verlorengeht. Um so dankbarer sollten die Menschen sein und bleiben, die eine Heimat gefunden haben.“ Dieser Vortrag wurde dann im ersten „Heimat-Jahrbuch Wittlaer 1980“ unter dem Titel „Von der Schwierigkeit, ein Wittlaerer zu werden – Beobachtungen in einer Stadtrandgemeinde“ veröffentlicht.

1983 berichtete Prof. Waldenfels auf einer gut besuchten Veranstaltung des Heimat- und Kulturkreises im Bürgersaal über „Eindrücke auf einer China-Reise“. Das Reich der Mitte ist auch heute wieder in den Mittelpunkt seines Interesses gerückt. So wurde auf seine Veranlassung hin ein Missionsprojekt in China ins Leben gerufen, dass auch von der Pfarre St. Remigius tatkräftig unterstützt wird. Das „Eine-Welt-Fest“ Anfang September 2006 in Wittlaer wurde eigens für dieses Missionsprojekt veranstaltet.

Im Heimat-Jahrbuch-Wittlaer trat Dr. Waldenfels immer wieder als Autor auf. Aus Anlass des Ortsjubiläums von Wittlaer schrieb er 1994 den Artikel „Nach 850 Jahren. Von der Dorfidylle zum Stadtteil.“ Hierin stellte er fest: „Wittlaer wird immer mehr zu einem Stadtteil Düsseldorfs. Die Landeshauptstadt selbst wird darüber nicht klagen und es in Ordnung finden. Dennoch ist der damit gegebene Prozess der Verstädterung für den Ort selbst keineswegs nur eine Bereicherung. Er affiziert und verändert das Leben im ganzen und berührt darum auch das Leben einer Kirchengemeinde.“ Für die Zukunft Wittlaers zeichnete er folgendes Bild: „Das alles führt nach meiner Ansicht zu folgendem Zwischenergebnis für Wittlaers Entwick­lung: Wittlaer wird in Zukunft weniger aus der Selbstverständlichkeit einer langen Tradition leben. Dennoch wird es in seiner inneren Identität weiterleben, wenn die Bewohner des Stadtteils aktiv bemüht sein werden, hier wie anderswo Zellen einer bewussten Nachbarschaft, gemeinsamer Lebensgestaltung, umfassender Wegsuche und damit einer Verankerung zu schaffen, die das Leben sowohl der heutigen wie der kommenden Generationen prägt.“ Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die Pfarrgemeinde: „Eine Kirchengemeinde wie St. Remigius wird dabei ihre Botschaft - nach dem Evangelium des Gründers - wie ein Stück Sauerteig oder wie eine Prise Salz in die Suppe hineingeben können. Das hat zwar immer schon gegolten, und doch wird es die Kirche selbst verändern, wenn sie ihre eigentliche Weltaufgabe auf diese Weise neu definiert.“

Als er sich Mitte der neunziger Jahre mit großem Engagement der Restaurierung der Wittlaerer Pfarrkirche St. Remigius widmete, dokumentierte er die erfolgreiche Arbeit in dem Bericht „St. Remigius im neuen Glanz. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten abgeschlossen.“(1997) Eine solch grundlegende Erneuerung hatte die Kirche wohl noch nicht erfahren: Die Decke und die Apsisbemalung wurden in den ursprünglichen Zustand versetzt, die Ausleuchtung der Kirche den heutigen technischen Möglichkeiten angepasst, der Altarraum erhielt einen in die Mauer eingelassenen Schranktabernakel und ein neues Ambo (Lesepult), verschiedene sakrale Figuren wurden von einer Restaurationsfirma überprüft und bearbeitet. Der in diesem Artikel geäußerte Wunsch nach einer neuen Orgel erfüllte sich mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung der Gemeinde im Jahre 1998.

Über seine Arbeit als Subsidiar und Pfarrverweser in Wittlaer berichtete Dr. Waldenfels im Jahrbuch 1999 unter der Überschrift: „Wittlaer soll seine Identität wahren. 30 Jahre leben und arbeiten in einem liebenswerten Dorf.“ Als er 1968 nach Wittlaer kam, vollzogen sich gerade einige gesellschaftliche und bildungspolitische Umbrüche (Studentenbewegung, Schulreform). In den kath. Kirchengemeinden erfolgte die Umsetzung der Beschlüsse des Vatikanischen Konzils. In der Landespolitik zeichnete sich ein kommunale Neugliederung ab, die schließlich für Wittlaer den Verlust der Selbständigkeit bedeutete. Um so wichtiger ist in Gegenwart und Zukunft die Pflege der Heimatkultur und des Ortsbewusstseins, schreibt Waldenfels. Zwei Gruppierungen tragen dazu bei: die St. Sebastianus Bruderschaft und der Heimat- und Kulturkreis Wittlaer. Dass die hier lebenden Menschen Wittlaer als ihre Heimat empfinden, dazu tragen nicht nur Traditionen - Feste, Bräuche, Prozessionen – bei, sondern auch das Heimat-Jahrbuch Wittlaer und die von der Kirchengemeinde herausgegebene Information REMIGIUSaktuell.

Zum 20-jährigen Bestehen des Heimat- und Kulturkreises Wittlaer und zum 20. Heimat-Jahrbuch Wittlaer hielt Prof. Waldenfels im Pfarrsaal als Vertreter der kath. Kirchengemeinde einen Festvortrag. Dabei ging er in einem Rückblick auch auf die Eingemeindung Wittlaers nach Düsseldorf ein und bekannte: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich ein starker Verfech­ter der Selbständigkeit des Angerlandes war. Der Vorsitzende der CDU wird sich daran erinnern, dass ich davon geträumt habe, dass die Wittgatt ausgebaut und am Heltorfer Park vorbei nach Lintorf, der damaligen geheimen Hauptstadt des Angerlandes, weitergeführt würde. Wir sind 1975 gescheitert.“ Der Wortlaut des Festvortrags wurde im Jahrbuch 2000 veröffentlicht: „St. Remigius als Ursprung und Mitte. Auch in Zukunft ist eine Wittlaerer Identität wünschenswert.“

Mit dem Abschied von Prof. Waldenfels von der Pfarre St. Remigius verliert Wittlaer nicht nur einen fast 40 Jahre hier tätigen Geistlichen, Prediger, Seelsorger, Organisator und Verwaltungsfachmann, sondern auch einen Verfechter einer Wittlaerer Identität und des von einigen Gruppierungen und Vereinen vor Ort geförderten Heimatgedankens.