Heimat-Jahrbuch 2008

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Waldunterricht für Kinder und Erwachsene
Natur erleben, ökologische Zusammenhänge erkennen und Umweltschutz verdeutlichen
Von Franz Schnurbusch

Wie interessant Waldunterricht sein kann, zeigen folgende Beispiele. Die Wechselwirkung zwischen abiotischen und biotischen Faktoren im Wald soll bewusst gemacht werden, wie z.B. Licht und Schatten, Pflanzen und Tierwelt. Stieleichen speichern Wärme in ihrer Baumrinde und bieten dadurch 172 Insektenarten Lebensraum. Nur die tief gefurchte Baumrinde bietet diese Wärmespeicherung in der dort gelagerten Luft, welche die Sonnenwärme lange festhält – man kann dies auch als „Pullover-Effekt” bezeichnen. Zum Vergleich gibt die glatte Rinde der Buche die Sonnenwärme schnell wieder ab. Schon Kleinkinder können den Wärmeunterschied der Bäume fühlen.

Kreislauf der Biomasse
Mit der Nase kann jeder den Zersetzungsvorgang der Bodenauflage von abgefallenen Blättern am Waldboden riechen. Je tiefer man in den Waldboden greift, um so geringer wirkt der modrige Pilzgeruch, bis er am mineralhaltigen Boden schließlich überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist, da die Pilzfäden hier keine Nahrung mehr finden. Pilze zersetzen die Rohhumusschicht, indem sie der Biomasse das Lignin entziehen. Übrig bleibt die Zellulose, die dann von Mikroorganismen weiter zersetzt wird. Dieser Zersetzungsprozess wird von den Regenwürmern als Träger von Mikroorganismen noch weiter gefördert. So schließt sich der Kreislauf der Biomasse im Wald, indem die fruchtbare Auflage des Waldbodens den Kräutern, Sträuchern und Bäumen wieder zugeführt wird. Dazu braucht der Wald jedoch auch Licht und Wärme. Der verschattete Wald ist eher durch Krankheit, Instabilität, ja durch Waldbrand bedroht als der Wald, der regelmäßig durchforstet, d.h. ausgelichtet wird. Was mit dem geernteten Holz passiert, kann ebenfalls jedermann erklärt werden: Wir finden es als Schmuckreisig, Weihnachtsbäume, es wird zu Papier, Spanplatten, Kamin- und Industrieholz bis hin zu wertvollem Holz für Furniere und Massivmöbel verarbeitet.

Wir Waldpädagogen zeigen auch, welche Kräuter, Beeren und Pilze essbar sind, welche Heilkräuter Schmerzen heilen oder auf andere Weise der Gesundheit dienen. Ebenso führen wir den interessierten Bürgern die Schönheit der Vogelstimmen vor und lehren sie, wie und wo die jeweiligen gefiederten Freunde leben. Wir erklären und beraten den Vogelschutz, den Schutz und die Hege jagdbaren Wildes, die Sensibilität außergewöhnlicher Lebensräume, in denen geschützte Pflanzen, seltene Bäume wie z.B. Feld-, Berg- und Flatterulme wachsen. Unser Ziel ist es, Neugierde bei allen Beteiligten zu wecken, diese Neugierde jedoch nicht oberflächig zu befriedigen, sondern die Wissbegierde und das Lernen in der Natur zu begründen. Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass nur diejenigen Umwelt und Natur schützen, die um die Sensibilität ihrer Strukturen und Wechselwirkungen nicht nur aus zweiter Hand erfahren, sondern dies selbst erforschen und erleben.

In unserem Rheinischen Waldpädagogium sind inzwischen sieben Mitarbeiter, teils hauptamtlich, teils als freie Mitarbeiter beschäftigt. Dabei haben wir eine ausgewogene „Kompetenzmischung” aus Mitarbeitern, die sowohl ökologische als auch pädagogische Experten sind: zwei Biologielehrer, zwei Sozialpädagogen, zwei Diplom-Biologen und zwei Landschaftsarchitekten. Wir sind in unserer Mannschaft bemüht, uns stetig fortzubilden, arbeiten mit der Natur- und Umweltakademie (NUA) des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem Landessportbund im Nettetal (im dortigen Feriendorf) sowie mit dem Jugendherbergswerk in Ratingen zusammen. Darüber hinaus betreuen wir dreizehn offene Ganztagsschulen im Raum Düsseldorf. Auch die Falknerei wird von uns als ein wichtiger Teilaspekt ökologischer Bedeutung gepflegt und von inzwischen drei Falknern praktiziert. Durch die Begegnung mit Greifvögeln wie Adler, Falke und Uhu sowie die praxisnahen Erklärungen von Fachleuten der Greifvogelkunde können wir vielen Bürgern einen Zugang zu einem ansonsten schwer zugänglichen und höchst sensiblen Bereich unserer Umwelt ermöglichen.

Im Alter von fast siebzig Jahren versucht Franz Schnurbusch dieses komplexe Gebilde weiterzuentwickeln, wobei ihm sowohl die öffentliche Relevanz und das Bildungsziel als auch die existentielle Sicherung der Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter und Kollegen sehr am Herzen liegt. Die Idee vom Lernen in der Natur durch die unmittelbare Begegnung kann nur dann weiter verbreitet werden, wenn möglichst viele Kinder, Eltern, Großeltern, Erwachsene und Senioren einen Beitrag dazu liefern, die Natur zu verstehen, sich von ihr faszinieren zu lassen und sich ihrem „ökonomischen Ausverkauf“, der insbesondere unsere Ballungsräume betrifft, entgegen zu stellen.

Das Rheinische Waldpädagogium
Am 1. Oktober 2002 wurde das Rheinische Waldpädagogium von dem Waldpädagogen Franz Rudolf Schnurbusch und dem Dipl. Biologen Wolfram Kassemeck gegründet. Beide Partner kommen aus der Praxis. Franz Schnurbusch arbeitete als Waldpädagoge im Schuldienst des Landes Nordrhein- Westfalen und Wolfram Kassemeck leitete die Waldschule Bruchhausen bei Erkrath.

Franz Schnurbusch war von 1953 bis 1959 als Waldarbeiter, von 1959 bis 1965 in der Revierförsterlaufbahn tätig. Er besuchte die Waldarbeitsschule Neheim-Hüsten und die Landesforstschule NRW in Allagen/Sauerland. Während der Ausbildung zum Revierförster arbeitete er in der Nordeifel, im Westerwald, Sauerland und am Niederrhein.

Von 1966 bis 1988 unterrichtete er in Grund- und Hauptschulen, wobei der Wald als Lernfeld stets in den Unterricht einbezogen war. Von 1988 bis 2002 im Sonderschuldienst im Bereich für Lernbehinderte und Erziehungshilfe setzte er sowohl fachliche als auch pädagogische Kompetenz als Waldlehrer um. Er schrieb über das Thema „Der Wald als Lernfeld zum ökologischen Denken (1991)“ an der Uni Köln zur Qualifizierung zum Sonderschullehrer.

Wolfram Kassemeck studierte Biologie mit dem Schwerpunkt Ökologie und arbeitete als Lehrbeauftragter der Volkshochschule Düsseldorf im Fach Biologie zur Nachqualifikation junger Erwachsener, in der Jugendarbeit im kirchlichen Dienst und als Waldlehrer in der Waldschule Bruchhausen.

Franz Schnurbusch und Wolfram Kassemeck entschlossen sich zu der Gründung des Rheinischen Waldpädagogiums, um an die Lernorte zu gelangen, die den Auftrag gebenden Schulen am nächsten liegen. Hier kann nachhaltig und vertieft der Waldunterricht erteilt werden.

Das Konzept der Rheinischen Waldschule besteht darin, dass Kinder, aber auch Erwachsene über alle Sinne die Natur erleben, mit Hilfe fachlicher Kompetenz die verschiedenen Aspekte ökologischer Zusammenhänge zu vermitteln und Aspekte des Umweltschutzes und der damit verbundenen ethischen Werte zu verdeutlichen. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Wälder und deren Nachhaltigkeit stehen je nach Reife der Kinder im Mittelpunkt.