Heimat-Jahrbuch 2017

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Aus dem Inhalt:

Peter Schwickerath
und das leichte Spiel mit dem schweren Stahl

Seine Kunstwerke machen Spaß. Dem Betrachter und auch ihm selbst, dem Lohauser Künstler Peter Schwickerath. Manche seiner Plastiken und Reliefs sind klein und leicht, fürs Regal, und andere so groß, dass sie mehrere Tonnen wiegen und nur mit Sattelschlepper und Kranwagen transportiert werden können. Denn auch wenn er gelegentlich mit Papier und Holz arbeitet, seine bevorzugten Materialien sind doch Eisen und Stahl. Dabei geht er wie folgt vor: Aus einem geschlossenen Körper - etwa einem Quader oder Zylinder - löst er einen Teil heraus und arrangiert Grundelement und Ausschnitt neu. Das herausgelöste Element ist gedreht, verschoben oder geklappt und in dieser Bewegung gleichsam eingefroren. Manche seiner Skulpturen scheinen statisch logisch, wuchtig und stabil, andere dagegen derart verspielt, leicht und kurios, dass der Betrachter denkt: Das ist instabil, das kann so nicht halten... Tut es aber natürlich doch. „Ich bin immer auf der Suche nach der größtmöglichen Dynamik“, sagt Schwickerath.VV Dynamisch sind aber nicht nur seine Kunstwerke. Diese Beschreibung trifft auch ohne weiteres auf den Künstler selbst zu. Wenn der 73-Jährige mit federnden Schritten seine Arbeiten abschreitet, kommt er an keiner vorbei, ohne sie zu berühren und zu erklären, begeistert und leidenschaftlich. Seine blauen Augen strahlen: „Ich hab einfach Freude und Lust am Gestalten. Es ist ein Spiel mit den Möglichkeiten“, sagt er, „und leider“, fügt er mit einem vergnügten Augenzwinkern hinzu, „fällt mir auch immer wieder etwas Neues ein...“ Eine Idee führe schnell zu einer weiteren und diese wiederum zu etwas Neuem. Eine Form durch einfache Mittel zu variieren, einem einfachen Körper eine dritte Dimension zu geben, die Wirkung von Flächenrichtungen im Raum - das alles habe ihn einfach nicht mehr losgelassen, seit er 1964 an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen und ab 1966 an der Kunstakademie Düsseldorf Kunst studierte. Dabei deutete erst mal nichts auf eine Karriere als Bildhauer hin.

Geboren wurde Peter Schwickerath 1942 in Lohausen in der Lantzallee als achtes von neun Kindern. Die sieben Geschwister, die vor ihm zur Welt kamen, sind allesamt Mädchen. Sein Vater, ein Richter, und seine Mutter, die Schwickerath als „verhinderte Ärztin“ beschreibt, sahen in ihrem Sohn einen Ingenieur und schickten ihn auf die Ingenieursschule nach Berlin. „Dort war ich zwar eingeschrieben, aber nie wirklich da“, erzählt Schwickerath. Praktika, ja, die habe er in Berlin gemacht, mehr jedoch nicht. Und wenn sein Praktikumstag um 14 Uhr zu Ende war, ging er mit Freunden schnurstracks in die Kunstakademie. Irgendwann fragten seine Eltern an der Ingenieursschule nach, wie sich ihr Sohn so mache. „Den kennen wir nicht“, war die Antwort. Da gaben die Eltern nach, der Sohn kam zurück und durfte das studieren, wofür er brannte: Kunst. Noch während des Studiums begegnete er einem Architekten, der ihm eine Anregung gab, die für Schwickerath wegweisend werden sollte: „Nimm doch für deine Skulpturen nicht immer nur Holz oder Stein. Mach doch mal was mit Stahl!

“ Metallverarbeitung in der Kunst hat eine lange Tradition, die vom alten Ägypten über die Antike bis zur zeitgenössischen Kunst reicht. In Deutschland befassten sich Künstler seit den 50er Jahren wieder verstärkt mit diesem Handwerk, die ersten Metallklassen wurden an den Kunstakademien Anfang der 60er Jahre eingerichtet. Schwickerath, der sich 1968 selbständig gemacht hatte, witterte seine Chance. Er kaufte Stahl und machte Firmen ausfindig, die bereit waren, seine Ideen zu verwirklichen. Er begann, in technisch aufwändigen Prozessen Schwarzblech, Eisen und Stahl zu falten, zu biegen und auszuschneiden und die Teile immer wieder neu und anders zu verbinden. „In Ratingen gab es ein Unternehmen, dessen Maschinen ich nachts benutzen konnte, wenn sonst niemand da war. Morgens um sieben, wenn die Arbeiter zurückkamen, war ich wieder weg.“ Auch in Neuss und Essen fand er Betriebe, die ihm halfen, seine Kunstwerke zu verarbeiten. Wenn er mit seinen Plänen ankam, sei die erste Reaktion oft erst mal skeptisch ausgefallen: „Das haben wir noch nie gemacht, das können wir uns nicht vorstellen.“ Aber Schwickerath ließ sich nie beirren: „Dann machen wir's halt zum ersten Mal!“ Und dann tüftelte er so lange, bis er die Skulptur so gestaltet hatte, wie er sie haben wollte. Da konnte es schon mal sein, dass seine Frau das Essen fertig hatte und er erst 3 Stunden später bei seiner Familie am Tisch saß.

Peter Schwickerath und seine Frau Sylvia haben zwei erwachsene Söhne und drei Enkel. Einer seiner Söhne lebt seit einigen Jahren in Uruguay. Während eines Besuchs dort kam Schwickerath mit der dortigen Kunstszene in Berührung. „Obwohl das Land nur 3 Millionen Einwohner hat, ist das Interesse an Kunst sehr groß“, sagt Schwickerath. Nicht zuletzt auch an seiner Kunst: Für eine Ausstellung im Skulpturenpark der Fundacion Pablo Atchugarry wurden 2016 sechzig seiner Arbeiten - insgesamt 20 Tonnen Kunst aus Stahl - per Schiff nach Uruguay transportiert. In Düsseldorf stehen Groß-Skulpturen von Schwickerath in Oberkassel am Rheinufer („Penetration“), im Nordpark („Knickung“) und an der Kaiserpfalz in Kaiserswerth („In Context“). Zahlreiche weitere befinden sich in anderen Städten im In- und Ausland sowie in privaten Sammlungen.

Wer sich für ein Werk Schwickeraths interessiert, für den ist die Galerie Christian Fochem in Krefeld die richtige Adresse. Und noch immer kommen neue Kunstwerke hinzu, denn eins ist ganz klar: Peter Schwickerath hat noch lange nicht genug vom leichten Spiel mit dem schweren Stahl.

Dunja Böhm-Dörrwächter