Heimat-Jahrbuch 2003

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Eine neue Heimat in Amerika

Auswanderungen aus dem nördlichen Teil des alten Landkreises Düsseldorf im 19. Jahrhundert

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte beiderseits des Rhein eine starke Auswanderungsbewegung ein. Wilhelm Toups begann um 1975 die verdienstvolle Arbeit, nach Auswanderern aus der früheren Bürgermeisterei Lank zu forschen.1 Später dehnte er seine Forschungen auf Krefeld und das Gebiet des heutigen Kreises Neuss aus. Zugleich mit Wilhelm Toups beschäftigte sich in Meerbusch Johannes Herbrandt mit den Briefen des Osterather Auswanderers Peter Matthias Blommer, der sich 1840 mit seiner Familie in Osage County, Missouri, niedergelassen hatte. Blommer hat uns anschaulich über das Leben in Amerika berichtet.2 Von den Briefen dieses Auswanderers sind fünf in Abschrift vorhanden, 18 dieser Dokumente sind während des Zweiten Weltkriegs bei einem Bombenangriff verloren gegangen. Die Auswanderer mußten eine Genehmigung für die Ausreise beim zuständigen Bürgermeister einholen, einen sogenannten Konsens. Sie wurden dabei auf die Risiken hingewiesen, die ein Verlassen der Heimat ins Ungewisse mit sich brachte, u. a. daß sie mit der Ausreise aus dem preußischen Staatsverband ausgeschlossen wurden. Diese Auswanderungsakten untersuchte Toups im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und wertete sie aus.

Inzwischen hat das Hauptstaatsarchiv die Daten der Auswanderungsakten auf einer CD-ROM 1997 herausgegeben, so daß die Suche heute nicht mehr so zeitraubend ist.3 Dieser Datenträger führt mehr als 63.000 Namen von Auswanderern auf. Unter Auswanderung verstand man im 19. Jahrhundert das Verlassen des Königreichs Preußen, so daß bereits auch der Umzug in andere deutsche Bundesstaaten als Auswanderung galt. Ein Drittel der aufgeführten Auswanderer stammte aus dem Regierungbezirk Düsseldorf. Wiederum hiervon die Hälfte, nämlich 11.301, gab die Vereinigten Staaten von Amerika als Auswanderungsziel an. Das bedeutet aber auch, daß es sich bei fehlenden Angaben über das Reiseziel um Auswanderungen nach Nordamerika handeln könnte.

Bei Forschungen stellt man immer wieder fest, daß nicht alle Auswanderer in unseren Archiven erfaßt sind. Es gab auch sog. „heimliche“ Auswanderer, bei denen es sich meistens um Männer handelte, die noch militärpflichtig waren. Es müssen deshalb noch weitere Quellen herangezogen werden, wie dies auch für die vorliegende Untersuchung geschehen ist. Daß sich viele dieser Auswanderer aus dem linksrheinischen Gebiet im Staat Missouri niederließen, bemerkte Wilhelm Toups beim Studium vieler Notariatsakten im Hauptstaatsarchiv, Zweigstelle Kalkum, wenn die Auswanderer noch Erbschaften in der alten Heimat zu erwarten hatten. In größerem Maße wurde der Verbleib der Auswanderer erst durch die Forschungen bekannt, die ab 1972 in Amerika vorgenommen wurden. Margaret Gentges erforschte anhand der Schiffslisten des Hafens von New Orleans die Namen der Personen, die sich in Osage County im Staat Missouri niederließen.4 Aus dieser Publikation wissen wir auch, daß das Auswanderungsfieber auch auf die rechte Rheinseite übergriff. So finden wir in der amerikanischen Aufstellung, daß Auswanderer aus dem Norden des alten Landkreises Düsseldorf ihre Heimat verließen.

Gründe für die Auswanderung
Die sogenannte Solinger Auswanderungsgesellschaft warb im Jahre 1834 für eine Auswanderung nach Missouri. Dieser Gruppe schloß sich der vermögende Bauernsohn Joseph Aretz an, dessen Eltern neben einem Hof in Vennikel bei Krefeld den Münkshof in Ilverich (Meerbusch) besaßen. Auch der Zimmermeister Scheulen aus Lank (Meerbusch) nahm mit seiner mit der 10-köpfigen Familie an dieser Reise teil. Man kann davon ausgehen, daß die Auswanderung aus dem heutigen Stadtgebiet von Meerbusch von diesen Leuten ausgelöst wurde. Nach dem Kauf von 560 Hektar Land kehrte Joseph Aretz nach Deutschland zurück. Über seine Erlebnisse berichtete er in Briefen an seine Familie. Sein Land übernahm einige Jahre später seine Schwester mit ihren 8 Kindern, die 1849/50 nach Missouri auswanderten.5 Die Gründe für die Auswanderung waren vielfältig. Es wanderten arme, reiche und abenteuerlustige Leute aus. Auch zogen die Auswanderer andere nach, wie wir am Beispiel des Johann Dohmen weiter unten sehen.

Das Untersuchungsgebiet
Die nachstehende Untersuchung beschränkt sich auf den nördlichen Teil des alten Landkreises Düsseldorf. Teile dieses Gebiets gehören heute zu den Städten Duisburg, Düsseldorf und Ratingen. Im 19. Jahrhundert bildet Derendorf den nördlichsten Stadtteil von Düsseldorf. Die nördlicher liegenden Gemeinden gehörten bis hinauf nach Huckingen zum Landkreis Düsseldorf. In dieser Betrachtung soll die Auswanderung aus diesem Raum betrachtet werden. In Amerika sind die Auswanderer in den Büchern von Glazier und Filby erfaßt. Es sind die Namen der Schiffe, der Ausgangs- und der Ankunftshäfen angegeben. Dadurch erfahren wir, daß die Auswanderer, nachdem sie Deutschland verlassen hatten, in England, Belgien, Niederlande, Frankreich und auch Gibraltar umsteigen mußten. Neuerdings sind die Daten der o. g. Bücher auch auf CD-ROM verfügbar, was die Suche wesentlich erleichtert. Hierbei ist aber auch davon auszugehen, daß die Forschungen von Glazier & Filby durch Lesefehler auch eine Menge fehlerhafter Daten haben.

Schicksal der Auswanderer
Viele Spuren von Auswanderern haben sich verloren. Wir haben dennoch Kenntnis von einer Reihe von ihnen. Zu den ersten, die Deutschland verließen, gehörte Johann Dohmen aus Bockum von den Holtumer Höfen. Er ernannte mit einem Notarvertrag vom 29. August 1836 den Ackerer Heinrich Brors zu seinem Bevollmächtigten.7 Wie er an den nächsten Seehafen gelangte, ist nicht bekannt. Vermutlich reiste er mit einem Rheinschiff nach Rotterdam. Er landete am 15. Februar 1837 mit dem Segelschiff „Charles Ferdinand“ mit seiner Ehefrau Maria Catharina Schmitz und den Kindern Ludwig, Regina und Joseph Heinrich in New Orleans. Johann Dohmen kam noch zweimal nach Deutschland zurück. Am 5. Juni 1840 gelangte er mit seinem 70 Jahre alten Vater Johann Peter, der ein Jahr später in Amerika starb, und einer Gruppe Mitreisender auf dem Dreimaster „Johann Georg“ nach New Orleans. Auf der dritten Heimreise begleitete ihn sein inzwischen 22jähriger Sohn Heinrich, der als Braut Christina Koehnen aus Kaiserswerth mitbrachte. Sie reisten 1850 auf der „Ocean Queen“.

Auf dem gleichen Schiff waren Johann Joseph Jaegers aus Einbrungen mit seiner Ehefrau Johanna Margarethe Eisheuer und den Kindern Franz Peter, Anton Hubert und Gertrud. Es wird auch berichtet, daß der 17jährige Franz Peter Jaegers vom Goldrausch erfaßt wurde. Zusammen mit dem Osterather Gerhard Münks und dem Kierster Wilhelm Bössen zog er in einem neunmonatigen Ochsentreck nach Kalifornien. Die Rückreise unternahmen sie auf einem Schiff um die Spitze von Südamerika.9 1854 traf der jüngere Jaegers Bruder Franz Peter mit seiner Ehefrau Maria Christina Eisheuer und mehreren Kindern in Missouri ein. Kurz nach der Ankunft dort starb Franz Peter Jaegers. Nach drei Jahren konnten die neuen Siedler die amerikanische Staatsbürgerschaft erwerben.

Der aus Angermund stammende Johann Theodor Strümpf gründete einen Ort, den er Struempf Settlement nannte. Dieser Ort wurde später in Rich Fountain umbenannt. Zwei seiner Söhne erlitten ein böses Schicksal. Sie verliebten sich in ein und dasselbe Mädchen. In Eifersucht erstach der jüngere den älteren Bruder.

Wann die Gebrüder Sebastian und Hermann Kreifels auswanderten, ist nicht bekannt. In Loose Creek lernten sie die Töchter Anna Gertrud und Anna Margarethe des Osterather Auswanderers Peter Mathias Blommer kennen und heirateten sie. Aus seinen Briefen wissen wir, daß Peter Mathias Blommer 14 Jahre mit seiner großen Familie in Loose Creek lebte, wo es ihnen zu heiß war. Mit seinen Schwiegersöhnen reiste er dann nach Minnesota, wo es ihnen zu kalt war. Deshalb suchten sie Siedlungsplätze in Kansas. Letztlich ließen sich die Kreifels in St. Joseph, Stearns County, Minnesota, nieder. Mathias Blommer lebte dann mit seiner Familie in Nebraska.10 Die Kreifels wurden wohlhabende Farmer. Zunächst mußten sie ihr Ackerland kaufen. Nach der Verkündigung des Heimstättengesetzes (Home Stead Act) 1862 konnten sie noch zusätzlich kostenloses Land von 160 acres (= 65 ha) je Person erwerben, das nach fünfjähriger Bewirtschaftung in ihr Eigentum überging. Die beiden Gebrüder Kreifels hinterließen eine zahlreiche Nachkommenschaft. Sebastian und Anna Gertrud Kreifels hatten 5 Kinder, 27 Enkel und 54 Urenkel. Insgesamt sind 477 Nachfahren dieses Ehepaares bekannt. Bei Hermann und Anna Margarethe Kreifels waren es weitaus mehr. Sie hatten 10 Kinder, 66 Enkel und 189 Urenkel. Insgesamt sind bisher 1443 Nachfahren gefunden worden. Über das Geschehen in Deutschland waren die Auswanderer gut informiert. Wie Peter Mathias Blommer in seinen Briefen mitteilte, lasen er und seine Schwiegersöhne vier verschiedene deutschsprachige Zeitungen.

Die Forschungen von Wilhelm Toups sind in Missouri bekannt geworden, so daß dann seit Mitte der 80er Jahre auch Kontakte von dort nach hier zustandekamen. Ich selbst habe Missouri 1987 erstmals besucht, um solche Kontakte zu knüpfen. Hieran schlossen sich noch drei weitere Reisen in die Vereinigten Staaten an. Mit Hilfe des Internets konnten weitere Verbindungen geknüpft werden. Der Heimatkreis Lank e. V. organisiert seit 1992 Besuche von beiden Seiten des Atlantiks im Vierjahresrhythmus.

Robert Rameil


Anmerkungen
Besonderer Dank gilt Joseph D. LaRue, Laneville, Texas, für Hinweise zu den Familien Blommer und Kreifels.

Peter Jägers reiste samt Vater und Mutter am 13. August 1850 nach Bremen, um von da nach Amerika zu fahren.

Heute Mittwoch, den 26. Oktober 1853 sind aus Bockum nach Amerika ausgewandert die Ehe- und Ackersleute Peter Jägers und Maria Christine Eisheuer mit ihren fünf Kindern, deren ältestes, der Sohn Johann in diesen Tagen zur ersten hl. Kommunion ging. Das jüngste Kind ist erst 1 Jahr alt. - Der vor ein paar Jahren ausgewanderte Johann Jägers ist der Bruder des Peter. - Die Namen der Kinder des Peter Jägers sind folgende: Johann, Anton, Peter, Gertrud, Adolph.
Aus: Verkündigungsbücher der kath. Pfarre St. Remigius Wittlaer