Heimat-Jahrbuch 2003

« zurück
Unser alter BrieftrÀger Heinrich Schmitz

Unser alter BrieftrÀger Heinrich Schmitz

Manchen Leuten ist das Wort „BrieftrĂ€ger“ heute völlig fremd - so wie uns frĂŒher das Wort „Postbote“. Einer dieser alteingesessenen BrieftrĂ€ger war unser lieber „Schmitze Heinerich“, so wurde er im Dorf genannt. Seine Frau Anni, die heute noch lebt, erzĂ€hlte, wie er zu diesem Posten gekommen sei. Es war im Jahr 1946. Heinrich half beim Wiederaufbau des Turmes der Wittlaerer Kirche St. Remigius, der im 2. Weltkrieg 1945 heruntergeschossen wurde. Eines Tages steckte der Beesers Döres, ein alter Wittlaerer, der in Kaiserswerth bei der Post beschĂ€ftigt war, den Kopf bei Schmitzens ins Fenster hinein. Er fragte den Heinrich, ob er nicht als BrieftrĂ€ger hier in Wittlaer anfangen möchte. Da Arbeit nach dem Krieg Mangelware war, ĂŒberlegte Heinrich nicht lange und sagte sofort zu. So nahmen die Dinge ihren Lauf.

Der Rösels Johann, ein alter Bockumer, war in Kaiserswerth als Paketzusteller und GeldbrieftrĂ€ger bei der Post angestellt. Der Johann bekam nun den Auftrag, den Heinrich anzulernen. Alles wurde mit dem Fahrrad erledigt, und es war ein weiter Weg. Zuerst radelte Heinrich nach Kaiserswerth, um seine Briefschaften abzuholen. Mit dem Austragen begann er dann unten am Schwarzbach bei Busch an der Duisburger Landstraße 2, dann ging es weiter durch Wittlaer nach Bockum, am Wasserwerk vorbei. Die Tour endete am Dorfende (im Volksmund A...löckse genannt). Auch an Feiertagen, was heute nicht mehr ĂŒblich ist, wurde die Post ausgetragen. Heinrich war immer sehr gefĂ€llig. Hatten wir einen Brief abzuschicken und gerade keine Briefmarke zur Hand, warfen wir einfach mit dem Brief 12 Pfennig (soviel kostete damals eine Briefmarke) in Papier gerollt ohne Kommentar in den öffentlichen Briefkasten und Heinrich erledigte das selbstverstĂ€ndlich. Er brachte den Witwen, die am Ende des Dorfes wohnten (es gab ja noch keinen Busverkehr) die Rente mit und erledigte noch vieles mehr.

Damals bezogen wir die „Micky Maus“, ein lustiges Kinderheft, das wir auch von der Post zugestellt bekamen. Wir haben dann oft geschmunzelt, wenn Heinrich nebenan hinter dem Kastanienbaum stand und lĂ€chelnd seine Nase schon mal ins Heft steckte, was ihn wohl sehr faszinierte. Da ihn alle so gut leiden konnten, bot man ihm in vielen HĂ€usern ein SchnĂ€pschen an. Wenn im Dorf Namenstage gefeiert wurden wie Maria, Josef, Heinrich, Johann ..., gab es kein Entrinnen. Das war fĂŒr Heinrich oft sehr schwer, zumal man ihm böse war, wenn er nicht mitprosten wollte. Aber man gab ihm dann gerne auch Hilfestellung, wenn es nötig war, und es kam immer alles in die Reihe.

Heinrich war auch als Paketzusteller tĂ€tig. Einmal erschien er mit 2 schweren ATA-Kartons voll mit BĂŒchern auf der Bockumer Straße, schon bald am Ende des Dorfes. Vorsichtig fragte er die EmpfĂ€ngerin, ob er die restlichen 6 Kartons auch noch heute bringen sollte. Etwas erschrocken angesichts der eingeschrĂ€nkten Transportmöglichkeiten meinte diese, er könnte sich ruhig Zeit lassen und die restlichen Kartons im Laufe der nĂ€chsten Tage anliefern.

Um sein nicht gerade ĂŒppiges Gehalt etwas aufzubessern, ging Heinrich in seiner Freizeit nach Bedarf in der GaststĂ€tte Schmitz-Lökes kellnern. Wenn ein Gast mal das Portemonaie vergessen oder zu wenig Geld eingesteckt hatte – macht nichts, dann erschien Heinrich am folgenden Tag mit dem Bierdeckel an der HaustĂŒr und kassierte. Auch sorgte er in Zeiten, als nur wenige ein Telefon oder ein Fahrrad hatten und die Wege weit waren, fĂŒr schnelle Kommunikation im Dorf: „Heinerich, sach mal dem Jupp, ich brauch unbedingt ...“ Oder: „Sach mal dem Wilhelm, er soll mir 3 Kilo Spargel bringen.“ Der Spargel wurde pĂŒnktlich geliefert.

Von 1946 bis zu seinem Tod 1973 war er uns ein freundlicher, hilfsbereiter und zuverlÀssiger BrieftrÀger, den noch viele Wittlaerer in guter Erinnerung haben.

Hanni Jansen