Heimat-Jahrbuch 2004

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Dr. Hermann Eich gestorben
GroĂźe Verdienste um den Heimat- und Kulturkreis Wittlaer
Von Jonas Marquardt

Im 90. Lebensjahr verstarb Dr. Hermann Eich, erster Vorsitzender des Heimat- und Kulturkreises Wittlaer von 1978 bis 1989 und Begründer des Heimat-Jahrbuches Wittlaer. Neun Jahrzehnte voller Elan, voller Tatkraft und geistiger Regsamkeit sind nunmehr Vergangenheit. Dennoch will es schwer fallen – auch angesichts eines so langen und reichen, eines so bedeutenden Lebens – von „Vollendung“ zu sprechen. Denn gerade ein gebildeter und unbestechlicher Beobachter der Welt, wie es der Verstorbene war, weiß, dass „Vollendung“ kein angemessener Begriff im Bereich des Menschlichen ist. Die beiden Gebiete, die Dr. Hermann Eich zeitlebens mit ungetrübtem Blick und ungebrochenem Interesse verfolgt hat – der Gang der Geschichte und jener der gegenwärtigen Politik – gleichen jeweils stets unabgeschlossenen Prozessen. Weder im Rückblick auf die historische Vergangenheit noch in der vorausschauenden Teilnahme am Tagesgeschehen wird der reflektierende Geist „Endpunkte“ festlegen können. Wohl begegnen ihm Wendepunkte, Um- und Abbrüche, wohl gibt es Erneuerungen (und Fehlentwicklungen!) – einen Schlussstrich der Vollendung jedoch vermag kein an der geschichtlichen Bewegung Beteiligter zu benennen.

Daher ist es denn auch weder Resignation noch Ratlosigkeit, sondern ein angemessenes, ein sachgemäßes Einverständnis mit der Selbstwahrnehmung des Verstorbenen, wenn wir anerkennen: Trotz seines hohen Alters und eindrucksvollen Lebenswerkes ist Hermann Eichs Leben nicht abgeschlossen gewesen, sondern begrenzt worden. War sein Geist doch auch zuletzt nicht minder scharf, seine Wachsamkeit nicht weniger rege und hell, als mitten auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Und dennoch: Es ist auch ein Segen, dass die großen Selbstanforderungen eines derart lebendigen Intellekts, dass die Herausforderungen eines dem Gemeinwohl verpflichteten und verantwortlichen Charakters, dass die zuverlässig getragenen Lasten der Partnerschaft an der Seite einer tragisch erkrankten Ehefrau nicht grenzenlos bleiben, sondern ihr Ziel finden.

Das Tröstliche der Endlichkeit wird jeder schon empfunden haben, der wie Hermann Eich von Jugend an ein geschichtliches Bewusstsein ererbt hat. Wie mag es dem Schüler in Neuwied nicht manchmal denkwürdig und beruhigend zugleich gewesen sein, auf den Spazier- und Entdeckungswegen an der Seite seines Vaters, des Gymnasialprofessors, auf begrabene Vergangenheit zu stoßen. Die Fundstücke aus fast prähistorischer Vorzeit, die Zeugnisse römischer Herrschaft, die Überreste aus den in sagenhaftem Dunkel verschwimmenden Völkerwanderungs- und Frankentagen..., wenn sie plötzlich in der Hand des Jungen lagen, so hatten sie ihm vom Untergang und vom Schlaf des Vergessens zu erzählen. Denn wiewohl sie wieder auftauchten und mit seiner sauberen Handschrift versehen als Exponate im Neuwieder Kreismuseum bis heute vom Gestern künden: Sie haben ihn zweifellos gelehrt, dass im Endlichen nur Stückwerk und im Zeitlichen nur solches auftritt, das seine Zeit hat. Statt also romantische Phantasien auszulösen, erzogen sie ihren jugendlichen Entdecker zur Sachlichkeit und brachten ihn zur Neutralität, zur Objektivität.

Er blieb daraufhin zwar für alle Zeit dem Erbe der Geschichte verpflichtet, das er überall – in der Heimat der Jugendzeit ebenso wie im Lebensraum seiner reifen Jahre – zu bewahren trachtete, doch vor allem bewegte ihn die Notwendigkeit, ausgewogen, unvoreingenommen, überlegen vor das Gewesene wie vors Gegenwärtige zu treten, um seinen Wert zu prüfen, seine Gefahren und Notwendigkeiten zu erfassen und sein Potential zu fördern.

So wurde er ein Zeuge und Begleiter nicht nur der Vergangenheit, sondern jenes Jahrhunderts, das seine Gegenwart darstellte und das er berichtend, kommentierend, beratend nach bestem Wissen und Gewissen durchlebt und mitgeformt hat. Ausgerüstet zu dieser Aufgabe war er durch sein Studium und vor allem durch jenen bezeichnenden Titel, den er sich erwarb, als er zum Doktor der Philologie promovierte. „Philologie“ – also die „Liebe zum Wort“ –: Das ist mehr als die Quersumme der Literatur und Publizistik, die Hermann Eich als Studienfächer belegte. „Liebe zum Wort“: das ist ein Dienst und ein Ethos. Der entsprechenden Gesinnung hat sich Dr. Hermann Eich verschrieben, und aus ihr gewann sein eigenes Schreiben Maßstab und Richtung. Er liebte das Wort, das doch ein so gefährliches und gefährdetes Material, ein so verbreitetes und doch so selten beherrschtes Instrument ist. Doch auch hier gilt abermals: Nicht schwärmerisch liebte er, oder gefühlsselig wie die Dichter. Im Gegenteil: Obwohl er in der selben Tessiner Landschaft, ja sogar im selben Anwesen bei Montagnola wie Hermann Hesse seine Urlaube verbrachte, um Muße und Ansporn für das Schreiben zu suchen – das Werk dieses Dichters schien ihm trotzdem fad. Er selber war alles andere als ein Caféhausliterat, wie es doch so viele Mitglieder der Journalistenzunft seinerzeit gerne sein wollten. Dazu war seine Liebe zum Wort zu streng, zu sachlich. Er wollte damit klären und aufklären – vor allem auch angesichts der hautnahen Erfahrungen, die er als junger Mann mit der Verführung durchs Wort, mit der Propaganda gemacht hatte.

Seine Maxime blieb darum stets: Objektivität!
Sie leitete ihn in seine hochangesehene Tätigkeit als Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung“ und brachte ihm den Ruf eines geschätzten Beraters für zahllose Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein. Sie veranlasste ihn auch zu seinen Buchpublikationen, in denen er die schwierige Aufgabe anging, das Bild seines Volkes, dem so viel Makel und Schuld anhängt, möglichst gerecht, wertfrei und ausgewogen darzustellen. Seine objektive Verpflichtung aufs Wort ließ sich zudem noch im persönlichen Umgang spüren. Gespräch und Austausch waren ihm unentbehrliche Funktionen, bei denen er begierig aufnahm, was ihm begegnete, und heftig vertrat, was ihn bewegte. Kommunikation gehörte zu seinen Grundbedürfnissen. Zuletzt lässt sich seine „Philologie“ – seine Liebe zum Logos und zur Logik – wohl gar an einem so privaten Zeitvertreib wie dem geliebten Schachspiel erkennen. Die Partien mit und gegen seinen langjährigen Schachpartner, ebenso wie das häusliche Spiel am Schachbrett, das er mit seiner Frau pflegte: auch sie drückten sein klares, kombinatorisches und kompromissloses Wesen aus.

An seiner Leidenschaft, beim Wort genommen zu werden, war kein Nachlassen zu bemerken. Auch nach der Pensionierung blieb er nach wie vor der Analyst und Berichterstatter von Rang, der er seit jeher war. Seine Leitartikel erschienen weiterhin, der Eifer für das politische Geschehen erhielt sich ihm bis zuletzt ungedämpft. Sein Einfluss ließ nicht nach. Dabei war es ihm nicht um Parteinahme und auch nicht um Popularität zu tun. Wichtig wie ihm Anerkennung war, schielte er bei aller Rücksicht auf die Öffentlichkeit gleichwohl nicht auf massenhafte Zustimmung. Diese billige Münze und verfälschte Legierung, die so erschreckend verbreitet in Umlauf gelangt ist, war nicht seine Währung. Er wusste wohl, was es um des Redens Silber und des Schweigens Gold zu tun ist. Just darum setzte er sich mit ausdauernder Initiative, mit kluger Sachkenntnis und unbeirrtem Nachdruck eben nicht nur auf großer Bühne wirksam in Szene, sondern verwandte seine Gaben im überschaubaren Rahmen seines Wohnortes zu dessen Bestem. Ob im Rampenlicht oder in der Stille – er erwarb sich Verdienste, die nur der Wahrhaftigkeit gegen sich selbst und gegen andere entstammen können.

Anmerkung
Auszug aus der Traueransprache in der ev. Stadtkirche Kaiserswerth am 17.2.2003 über Matthäus 5,37: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel”.

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Dr. Hermann Eich - Biografisches

1913 am 29.12. in Neuwied geboren, „im Licht einer von Kriegsfurcht erfassten Welt“ Vater: Gymnasialprofessor zu Neuwied

1930 6-wöchiger Schüleraustausch in der Normandie/Frankreich; Studium der Germanistik, Geschichte, Zeitungswissenschaften (in Bonn und Berlin) unter der Ägide von Friedrich Sieburg

1936 1. Reise nach China; Redakteur am „Berliner Tageblatt“

1940-44 Referent der Abteilung für Auslandspresse der Reichsregierung in Paris, wo er seine spätere Ehefrau Eva Marten kennen lernt (Eheschließung: 1946); Kriegsdienst an Ost- und Westfront; Kriegsgefangenschaft

ab etwa 1950 Bonner Korrespondent

1958-80 Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung“, Düsseldorf; Interviews mit allen Bundeskanzlern (Adenauer/ Erhardt/Kiesinger/ Brandt/Schmidt/ Kohl)

1963 Buchveröffentlichung: „Die unheimlichen Deutschen“ (in 5 Sprachen übersetzt)

1978-1989 Vorsitzender des Heimat- und Kulturkreises Wittlaer

1980 Auf seine Initiative erscheint das 1. „Heimat-Jahrbuch Wittlaer“; Initiator des „Förderkreises zur Rettung der St.-Hubertus-Kapelle“ 1982 Einweihung der restaurierten Hubertus-Kapelle

1983 Buchveröffentlichung „Die misshandelte Geschichte“; Eintritt in die Stammkompagnie der St.-Sebastianus-Bruderschaft Wittlaer

1984 Verleihung des groĂźen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

2003 am 8.2. in DĂĽsseldorf-Wittlaer im Alter von 89 Jahren verstorben