Heimat-Jahrbuch 2008

« zurück
Einmal Lehrerin, immer Lehrerin
Die ehemalige Lehrerin an der Wittlaerer Volksschule Maria Koller (Grünwald) besuchte ihre Klasse von einst – Ein Wiedersehen nach über 50 Jahren
Von Maria GrĂĽnwald

Zu meinen liebsten Kinderspielen zählte das Schule-Spielen. Aber nur, wenn ich „Fräulein” sein durfte. Im Hof des Mietshauses in Oberhausen, wo wir damals wohnten, fand sich immer eine Mini-Klasse zusammen. Drei bis vier Kinder genügten. Mein Vater – im Rathaus tätig – war stets Nachschub-Lieferant für Papier. Einen Rotstift besaß ich nicht. Aber Fehler konnte ich entdecken, anstreichen und addieren.

Dass ich Lehrerin werden wollte, stand von Kindesbeinen an fest. Ich wurde es auch. Die Eltern hofften noch, dass es eine Entscheidung „fürs Leben” bleiben würde. Doch einen angehenden Lehrer fesselte ihre Tochter schon beim ersten Tanz am ersten Tag im ersten Semester. Und zu einer „einklassigen Schule” mit mehreren Schülerjahrgängen in einem Klassenzimmer, die es damals in den Dörfern der bayerischen Heimat wie auch in ländlichen Gegenden Nordrhein-Westfalens noch gab, brachte sie es später durch Heirat nach nicht allzu langer Berufstätigkeit selbst. Einem halben Dutzend eigener Schulkinder sah sie fortan auf Finger, Tafeln und Hefte! Manche Klassenkameraden hörten sie sagen: „Ihr habt es gut!” Schließlich war ihre Mutter „vom Fach”. Doch davon waren unsere Kinder nicht immer überzeugt! Ihre Eltern hörte die kinderreiche Mutter gelegentlich klagen: „Wofür haben wir dich eigentlich studieren lassen?” „Dafür!”, so ihre knappe Antwort! Und so blieb sie, was sie war bei unzähligen „Nebenberufen”, wie Köchin, Wäscherin, Putzfrau, Näherin – auch die Lehrerin, die stets nach Fehlern in Hausaufgaben, Briefen, Artikeln für Zeitschriften, Anschreiben an Behörden, begierig Ausschau hielt – ein Leben lang. Und die selbst zwischen Küchenschürze, Herd und Wäsche Artikel und später auch Lyrik schrieb. Neben der vielfach abgewerteten „Nur-Hausfrau” blieb ich die gewesene Lehrerin mit den „Argusaugen”.

Max und Moritz, die „Unsterblichen”
Plötzlich wurde ich im neuen Jahrtausend - nach 52 Jahren – noch einmal die „Lehrerin von damals”. So kurz meine Berufstätigkeit in Wittlaer am Rhein damals auch gewesen war, der Schlusspunkt einer weißen Hochzeit mit Schülerspalier und Schleppetragen war in den Jahrzehnten hängen geblieben. Zusätzlich hielt eine kleine Episode aus der Unterrichtszeit anlässlich eines Elternabends die Erinnerung wach. Es war eine „Max und Moritz-Aufführung”, die viel Anklang gefunden hatte. Das Echo war so lebhaft, dass die im Umkreis verbliebenen Schüler später einen „Wilhelm Busch Club” gründeten – als Zeichen ihrer Verbundenheit mit ihrer alten Schule. Man trifft sich viermal im Jahr, wobei der Höhepunkt stets ein traditionelles Martins-Gans-Essen beinhaltet.

Weil sich in der Zwischenzeit zufällig wieder Fäden gesponnen hatten zwischen mir und einigen Schülern und weil ich eine ehemalige Schülerin als Kunsthistorikerin in einer Schrift über unsere unter Denkmalschutz gestellte romanische Hochzeitskirche St. Remigius entdeckt hatte, wurde ich zu diesem alljährlichen Festschmaus eingeladen. Ein Wiedersehen nach über einem halben Jahrhundert! Welchem Lehrer wird schon solche Ehre zuteil? Er zog sich hin bis Mitternacht, dieser Abend der Begegnung mit der Vergangenheit.