Heimat-Jahrbuch 2008

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Vom Kloster Düsselthal nach Kaiserswerth
Viele Bauelemente der Abteikirche wurden in der Stadtkirche eingebaut
Von Paul Kauhausen

Düsselthal ist ein ehrwürdiger Begriff. Von des Kurfürsten Jan Wellems Gnaden siedelten sich zu Beginn des 18. Jahrhun­derts die Zisterziensermönche von der stren­gen Observanz à la Trappe in der Grafen­berger Niederung an, machten an den Ufern der Düssel die Geeststriche urbar und bau­ten mit wahrhaftiger Seelengröße ihre Ab­tei, Düsselthal genannt. Rundum von Grafenberg bis Pempelfort, von Gerresheim bis Mörsenbroich träumte die von keiner Lebensunruhe aufgeschreckte Landschaft in den Tag. Eine echte insula felix, wo die schweigsamen Trappistenväter über 97 lange Jahre ihr gottgefälliges Leben führten, ge­liebt und hochgeachtet von der ganzen Bür­gerschaft. Schlicht und einfach nannten die Düsseldorfer jene Mönche „Speckermönnekes”. Durch Napoleons Machtwort und seinen berüchtigten Federstrich unter der Urkunde wurde die Abtei 1803 aufgehoben. In öffentlicher Versteigerung erwarb das ge­samte Anwesen der in der Abtei wohnende Direktor der Serviskommission Karl Heubes, der aber nichts anderes zu tun wusste, als alles verfallen zu lassen und das zusammengebrochene Abteigut 1822 an den Grafen Adalbert von der Recke-Volmarstein zu verkaufen.

Lange Jahrzehnte riefen zwei bronzene Glocken die Mönche und auch die Gläubigen außerhalb der schützenden Klostermauern zum Gottesdienst in der Klosterkirche. Mit einem Male verstummte das beseli­gende Geläut über Düsselthal. Das erfuhren die beiden reformierten und lutherischen Gemeinden, die gemeinsam eine Kirche in Kai­serswerth erbauen wollten. Sie gingen mäch­tig zu Werke. Es ist überaus reizvoll, in den Archivalien der Gemeinde nachzulesen. Wir erfahren dann aus einem zierlich ge­schriebenen „Bettelbrief” vom 15. Juli 1807 an das „hochzuverehrende Consistoriumsmit­glied Peter Bernberg in Cöllen”, dass der Kirchenmeister J. P. Wortmann also bat: „ ... Sie als ein würdiges Mitglied des Consistorii können unsere Bitte durch ein kräftiges Vorwort mächtig unterstützen, und ich hoffe umso eher, daß Sie sich gütigst dafür verwenden werden, da ich Sie, sowie den lieben Gott, selten mit Bitten behelli­ge. Legen Sie unsere Bitte Ihren Consisto­rien bestens ans Herz und erfreuen uns bald mit dem erwünschten Resultat, denn wir haben Dach, Thüren und Glocken, Fen­ster, Uhr etc. von der so genannten Speck-Möncher Abtey Kirche bei Düsseldorf gekauft und können bald zu Rande kommen, wenn wir nur die unbedeutende Nebensache – das Geld dafür haben ...”

Die Kirche in Kaiserswerth wurde gebaut. 1811 war sie vollendet, und am 28. Juli bei ihrer Einweihung läuteten auch ein erstes Mal die Düsselthaler Klosterglocken über Kaiserswerth und riefen die protestantischen Gläubigen zum Gottesdienst. Sie läuteten auch, als der weltbekannte Theodor Fliedner als Pfarrer dieser Kirche eingeführt wurde und läuteten immer wieder, so er seine Gläubigen zu Andacht und Gebet rufen ließ.

Über 150 Jahre haben Kirche, Turm und Glocken überstanden, und kaum einer wusste von dem ehernen Mund und woher er stammte. Die Archivalien schwiegen und hüteten das Geheimnis, und wer eingeweiht war, ging recht sparsam mit der Kenntnis um. Aber der lebenserfahrene Pfarrer Rudolf Kluge, der ab 1949 die Geschicke der Gemeinde lenkte, und die resolute Gemeindeschwester wussten um alles das und teilten es bereitwillig mit. Die ganze Angelegenheit ist um so erfreulicher, da in den Akten des Staats- und auch des Stadtarchivs keinerlei Bemerkungen in dieser Hinsicht zu finden sind, wohl sind ausweis­lich der „Registraturakten des Ministerii des Innern” einige Kirchensachen von Düsstelhal „wie hölzerne Cruzifixe, ein missale romanum und ein missale cisterciense” an die St.-Max-Kirche in Düsseldorf abgegeben worden, die aber nicht mehr existieren.

Bedeutungsvoll, ohne Einschränkung, ist nun der Besitz der ev. Gemeinde in Kai­serswerth. Ihre Glocken haben einen außerordentlich historischen Wert. Die größere der beiden, auf den Ton „G” abgestimmte Glocke hat folgende Inschrift: „S.P.N. Bernharde ora pro nobis - Fractam refundi curavit Frater Ambrosius Abbas ...“, was so viel heißt wie: Unser heiliger Vater Bernhard bitte für uns. Die gesprungene Glocke ließ der Abt Ambrosius wieder herrichten. „Bartholomäus Gunder gos mich in Cöllen anno 1767”. Die kleinere, auf den Ton „D“ abgestimmte Bronzeglocke wurde im Jahre 1699 gegossen. Sie trägt die schöne Inschrift „Si Deus pro nobis, quis contra nos”. Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein.

Der erste und auch der zweite Weltkrieg haben beide Glocken verschont. Und so sin­gen sie denn wie vor über 250 Jahren zu Gottes Lob und Ehre, einst über die stil­len Niederungen Düsselthals, heute über das geschäftige Kaiserswerth. Aber nicht allein die Glocken, auch der Glockenturm und die großen Fenster, dazu die Haupttüre und ein Teil des Gestühls der alten Stadtkirche stammen aus der ehrwürdigen Düsselthaler Abtei. Wer hören und sehen will, der gehe hin.