Adolf Lins, Künstler sehen Wittlaer

Adolf Lins (1856-1927)
"Kinder am Bach", 1893, Öl/Lw, Privatbesitz


Adolf Lins machte auf seiner Darstellung jenes Gewässer zum bildbeherrschenden Element, das neben dem Rhein einen weiteren Akzent im Leben der Wittlaerer Bürger setzte: den Schwarzbach. Für den Ortsunkundigen mutet dem Wasserlauf hier mächtiger an, als die Bezeichnung "Bach" vermuten läßt, jedoch bildete der Künstler sein Motiv bei Hochwasser ab, was die wiedergegebenen Ausmaße bereits relativiert. Am linken Ufer liegt nun ein Kahn, in dem die beiden sich im Bildzentrum befindenden Hauptakteure, die vier Jahre alte Gertrud Brand (genannt "et Kenke" oder "Traudchen") und deren Bruder, der siebenjährige Alban ("Job") Brand sich vergnügen. Beide Kinder von Josef Brand, dem legendären Namensgeber der Gaststätte "Brands Jupp", sind mit dem Angeln beschäftigt, wobei der Junge eine provisorische Rute ausgeworfen hat und seine kleine Schwester erwartungsvoll auf die Wasseroberfläche blickt. Weitere Angelutensilien befinden sich ebenso wie eine lange Holzstange im Boot, mit der der Kahn im Wasser fortbewegt werden kann. Der Schwarzbach selber verläuft zum linken oberen Bildrand und ist an seinem Ufer nur partiell stark bewachsen, was einen Ausblick auf den hochangesetzten Bildhorizont mit seinen grünen Wiesen erlaubt. Die Aufmerksamkeit des Betrachters bleibt jedoch dem Kahn mit den beiden Kindern verhaftet, da er sich mit seinen breiten, horizontal angeordneten Sitzgelegenheiten dessen Blickrichtung von links nach rechts wie ein Riegel entgegenstellt und damit keinerlei Bewegung des Bootes suggeriert. Statt dessen verweist er durch den aufgerichteten Bug lediglich ins Bildinnere und damit in eine Richtung, in die die Kinder nach dem Angelvergnügen das Gefährt vielleicht lenken werden. Ein weiteres dynamisches Moment kommt neben der seitlichen Bewegungsrichtung der Kinder auch der Angelrute des Knaben zu, welche, ähnlich wie die Halme der Pflanzen am linken Bildrand, sich auf einer Bildebene nach rechts beugt. Diese hier farbig abgebildete Darstellung kann als Ölstudie zu jenem Gemälde angesehen werden, das im Heimat-Jahrbuch 1987, S. 82 als schwarz/weiß Reproduktion wiedergegeben ist. Obwohl Adolf Lins die wesentlichen Merkmale der Szene beibelassen hat, sind doch einige Details verändert worden, die das Motiv nun konkretisieren. Am auffälligsten ist sicherlich die den Abmessungen des Kahns angepaßte Körpergröße der Kinder, welche nunmehr in einer sinnvolleren Relation zum sie umgebenden Bildgegenstand erscheinen. Darüber hinaus veränderte der Künstler die Uferbepflanzung auf beiden Seiten des Schwarzbachs, was sowohl zur Reduzierung am linken Bildrand als auch zur Vermehrung auf der gegenüberliegenden Seite führte. Dort verweist nun eine schilfartige Flußbegrenzung durch ihre stetig sich verkleinernde Wuchshöhe zum linken Bildrand und definiert damit den Verlauf des Baches, welcher anschließend wieder ins Bildinnere zu fließen scheint. Daneben sind nun alle Bilddetails sorgfältiger ausgearbeitet, was sogar dem Mädchen zu einem Tupfenkleid verhalf. Aber auch die Signatur setzte der Künstler nicht mehr flüchtig in großen Lettern, sondern nun fein säuberlich in die linke untere Bildecke. Der gebürtige Kasseler Adolf Lins hielt sich wie viele seiner späteren Düsseldorfer Malerkollegen nach seinem Studium zunächst in der Künstlerkolonie in Willinghausen auf und zog dann auf Anraten seiner Freunde 1877 ebenfalls nach Düsseldorf. Bekannt wurde er nicht nur durch seine Kinderszenen, sondern auch durch die ab den 1880er Jahren gestalteten Bach- und Weidelandschaften, die der Künstler häufig mit Federvieh ausstaffierte, daß er auch unter dem Beinamen "Gänse-Lins" bekannt wurde.