Walter Sauer, Künstler sehen Wittlaer

Walter Sauer (1912-1994)
"Die Wittlaerer Friedhofskapelle", 1991, Öl/Karton, 30 x 21 cm; Privatbesitz


Walter Sauer zeichnete die 1891 errichtete Friedhofskapelle, welche sich an der Ecke Bockumer Straße / Ecke Franz-Vaahsen-Weg befindet, nach eigenem Bekunden, als er an der gegenüberliegenden Haltestelle auf den Bus wartete. Im Atelier wurde die Zeichnung dann in einen größeren Maßstab überführt und mit Hilfe der Ölfarbe zu einem Gemälde gestaltet. Inhaltlich wertete Sauer den an für sich unspektakulären Bildgegenstand durch einige Kunstgriffe auf und machte damit die für gläubige Menschen Einzigartigkeit des Gebäudes auch optisch faßbar. Ungewöhnlicherweise erstrahlt lediglich die relativ schlichte Fassade der Kapelle in einem hellen Farbton, gleich so, als ob sie angestrahlt werden würde, was jedoch nie der Fall war. Darüber hinaus verzerrte der Künstler die Perspektive bewußt und läßt den Betrachter das Gebäude nicht mit leichter Seitenansicht betrachten, sondern "dreht" sie derart zu ihm hin, daß sie ihm frontal gegenüber zu stehen scheint. Besonders deutlich wird dieser Kunstgriff, der die Bedeutung des Bauwerks nachdrücklich unterstreichen soll, an der Darstellung des Kreuzes oberhalb des Giebels, dessen rechten Seitenflächen sogar sichtbar werden. Hinterfangen wird das Gebäude durch schlanke, hohe Bäume, die es gegen den Himmel abschirmen und damit, wie eine plastische, in eine Nische hineingestellte Figur, hervorheben. Diesen Himmel gestaltete Walter Sauer in einem dunklen Blauton, der zum oberen Bildrand seine hellen Farbanteile verliert und damit den Endruck erweckt, als ob sich hinter der Kapelle eine starke Lichtquelle befindet, dessen Leuchtkraft sich allmählich abschwächt. Eindrucksvollste Beispiele, die der Künstler mit diesem formalen Gestaltungsmittel zitiert, sind Heiligendarstellungen, bei dem der Kopf oder sogar der gesamte Körper der Figur von einer starken Lichtquelle hinterfangen wird.