Heimat-Jahrbuch 2004

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„Tant Lisbeths“ letzter Auftritt
Gertrud Eberhard, die Leiterin des Schnibbel-Theaters, 72jährig gestorben
Von Bruno Bauer

„Ich bin e Mallörke“, bekannte Gertrud Erberhard freimütig auf dem Mundartabend des Heimat- und Kulturkreises Wittlaer im Februar 1992. Die zahlreichen Zuschauer quittierten dieses Bekenntnis mit Beifall und Heiterkeit. Der Abend sollte noch weitere Überraschungen bringen. Gertrud Eberhard zog alle Register ihres Könnens: Eigene Gedichte und Erzählungen sowie auch improvisierte witzige Dialoge mit beherzten Zuhörern, Heiteres und Trauriges, Alltägliches und Tiefsinniges wechselten in bunter Folge, und dies alles natürlich in ihrer Muttersprache – dem Wittlaerer Platt. Dieser Abend besiegelte eine jahrelange Freundschaft zwischen dem „Mallörke“ und den Wittlaerer Mundartfreunden.

Gertrud Eberhard wurde am 1. Mai 1930 in Düsseldorf geboren. Sie wuchs in Wittlaer im Hause Büsgen (heute Bockumer Straße 32) auf. Für die Erziehung war hauptsächlich die Großmutter zuständig, von der sie stets in großer Anerkennung und Dankbarkeit sprach. Auch die „Mottersproch“ verdankt sie ihrer „Jroß“. Die Wittlaerer Volksschule besuchte sie von 1936 bis 1938. Dann zog sie nach Gerresheim, behielt aber weiterhin Kontakt zu den Verwandten Büsgen und Altgassen in Wittlaer und Bockum. Ihre „Mottersproch“ hat sie auch weiter gesprochen, vor allem in häuslicher Umgebung. Im fortgeschrittenen Alter lernte sie durch einen Nachbarn im Schrebergartengelände die Düsseldorfer Mundartfreunde kennen. Schon nach kurzer Zeit machte sie sich hier durch Lesungen und Sketche in Mundart einen Namen. Hier wurde auch die Idee zum Theaterspielen geboren. Mundarttheater gab es zwar in Köln und vielen Gegenden Deutschlands, nicht aber in Düsseldorf. Aber sie wusste genau, dass sie mit der „Mottersproch“ viele Menschen ansprechen würde. Am Traum vom Mundarttheater hielt sie beharrlich fest: „Wennse nit mieh arbede mots, dann fängse sojet aan“.

Nach unendlich viel Arbeit und Vorbereitung war es dann soweit: „De Lappe hoch, et Spell jeht loss!“. Auf der Bühne der Calvin-Kirche fand dann am 10. November 1991 die erste Aufführung „Eene spennt immer“ statt. Vom überwältigenden Erfolg war selbst Gertrud Eberhard überrascht. Jetzt war der Grundstein gelegt, und das Schnibbel-Theater – eine Wortschöpfung aus Schneider-Wibbel-Theater - wurde zu einer festen Institution in Düsseldorf mit stets ausverkauften Aufführungen. Mit dem Erlös des Kartenverkaufs unterstützte das Theater den Kindergarten „Haus Hellweg“. Ihre Wittlaerer Heimat hatte Gertrud Eberhard vor allem in Form der typischen Familiennamen wie Dahlmann, Angerhausen, Walbröhl, von Holtum, Fußbahn, Altgassen, Holtschneider, Bünten und Hundgeburt in vielen Stücken verewigt.

Bei der elften Aufführung „Flitterwoche bei de Tant“ (2001) musste Gertrud Eberhard die Hauptrolle für eine erkrankte Kollegin übernehmen. In dieser Komödie spielte sie, selbst schon von schwerer Krankheit gezeichnet, als Tant Lisbeth die Rolle ihres Lebens. Energisch, geradeheraus, zuweilen bestimmend wie ein Feldwebel wusste sie im Durcheinander der menschlichen Beziehungen und der aufbrausenden Leidenschaften immer den richtigen Weg. Schließlich fügte sich doch alles, und die Welt kam wieder in Ordnung. Dies war Gertrud Eberhards letzter Auftritt. Sie starb am 30. September 2002 und mit ihr das „Schnibbel-Theater“, das nun unter anderem Namen, neuem Konzept und Aufführungsort weiterleben wird. Viele Wittlaerer werden die jährlichen Aufführungen in der Calvin-Kirche in bester Erinnerung behalten.